In Sachen Zeckenschutz gibt es die unterschiedlichsten Mittel. Im Netz ist immer wieder zu lesen, dass wir bestimmte Produkte meiden sollten, weil in ihnen „Chemie“ steckt, die Parasiten abschreckt oder tötet, aber auch für den Hund gefährlich sei. Was ist da dran? 

Die Frage beantworten die Tierärzte Ann Christin Petzak und Dr. med. vet. Pasquale Piturru:

Viele der gängigen Zeckenschutzmittel enthalten chemische Wirkstoffe, die darauf abzielen, Parasiten abzuschrecken oder abzutöten. Diese Produkte sind oft sehr effektiv und bieten einen hohen Schutz. Allerdings gibt es unter Hundehaltenden Bedenken hinsichtlich der Sicherheit dieser chemischen Mittel. Einige berichten von Nebenwirkungen wie Hautreizungen, allergischen Reaktionen oder sogar schwerwiegenderen gesundheitlichen Problemen. Somit führt kaum ein Thema in den sozialen Medien zu so viel Diskussionsbereitschaft wie die Ektoparasitenprophylaxe. Manche Hundebesitzer:innen schwören auf alternative Mittel wie Bernsteinhalsbänder, Kokosöl oder auch Schwarzkümmel, um Zecken und Flöhen den Kampf anzusagen. Alles scheint sicherer, als den Hund der Gefahr der „Chemiekeule“ auszusetzen.

Zeckenschutz: wichtige Faktoren

Diplomatisch könnte man einfach sagen, dass die Wahl des richtigen Zeckenschutzes für den Hund von verschiedenen Faktoren abhängt. Dazu gehören beispielsweise die individuelle Gesundheit des Tieres, die Umgebung, in der wir leben, und die persönliche Vorliebe für „chemische“ oder „natürliche“ Produkte. Um ein bisschen mehr Klarheit in das Thema zu bringen, werden wir es im Folgenden aus der Sicht der Kliniker beleuchten. Wie sicher ist es also am Ende, wenn mein Hund aufgrund unzureichender Wirkung der Alternativmedizin an einer durch Parasiten übertragenen Infektionskrankheit erkrankt?

Hier hilft es uns leider nicht, wenn persönliche Erfahrungsberichte oder Hundeshop-Rezensionen die Effektivität von Zitrone, Eukalyptus oder Neem beteuern. Zuverlässige wissenschaftliche Studien, die diese belegen, gibt es keine. Manche Hunde sind aus bestimmten Gründen generell weniger empfänglich für einen Zeckenbefall. Zudem unterscheiden sich durchaus auch die Gewohnheiten von Tierbesitzer:innen. Die einen spazieren eher durch Wiesen und Wälder, die anderen durch wenig begrünte Innenstädte … Daher sind die Erfahrungsberichte des Einzelnen auch wenig repräsentativ für die Masse.

Der Vermeidung und Bekämpfung eines Ektoparasitenbefalls kommt bei uns in der Veterinärmedizin ein hoher Stellenwert zu, da Zecken, Milbe, Flöhe, Sand- und Stechmücken in vielerlei Hinsicht Schaden anrichten können. So verursachen sie z. B. Hautveränderungen oder allergische Reaktionen. Einige von ihnen können bestimmte Erreger übertragen, die schwere Krankheiten hervorrufen. Andere können durch Saugen von Blut bei massivem Befall zu einer Blutarmut führen. Manche sind nur wenig wirtsspezifisch und sind auch in der Lage, Krankheiten auf uns Menschen zu übertragen. Daher hat das European Scientific Counsel Companion Animal Parasites (ESCCAP), eine eingetragene Vereinigung von Veterinär pathologinnen und -pathologen, öffentlich zugängliche Leitlinien zur Bekämpfung von Ektoparasiten bei Hunden und Katzen erstellt: Bekämpfung von Ektoparasiten (Zecken, Milben, Flöhe, Läuse, Haarlinge, Sand- und Stechmücken) bei Hunden und Katzen Deutsche Adaption der ESCCAP-Empfehlung Nr. 3, Februar 2022.

Produkte und die potenziell ausgehende Gefahr

Grundsätzlich lassen sich die Präparate therapeutisch oder prophylaktisch einsetzen. Letzteres ist möglich, da sie in der Regel über eine mehrere Wochen anhaltende Restwirkung verfügen. In der Wirkungsweise unterscheiden wir weiterhin zwischen Mitteln mit „repellierender“ Wirkung und solchen, die diese Eigenschaft nicht besitzen.

–> „Repellierend“ bedeutet, dass die Ektoparasiten zwar den Hund aufsuchen, aber nicht länger auf ihm verbleiben und stechen. Dadurch wird das Risiko einer Erregerübertragung verringert.

–> „Abstoßend“ wirkt die Gruppe der sogenannten Pyrethroide mit den Wirkstoffen Permethrin, Flumethrin und Deltamethrin. Diese sind für den Hund in Form von Spot-on-Präparaten (z. B. Advantix®, Vectra 3D®) oder auch Halsbändern (z. B. Seresto®, Scalibor®) verfügbar.

Die Gruppe der Pyrethroide

Pyrethroide werden von Chrysanthemen als natürlicher Abwehrstoff gebildet. Durch chemische Veränderungen des Ausgangsstoffes kommt es zu einer Zunahme der Toxizität für Insekten sowie Spinnentiere und Abnahme für Säugetiere. Die relativ geringe Toxizität ist unter anderem auf eine rasche Elimination durch den Säugetierorganismus zurückzuführen. Zudem wird der Wirkstoff nur sehr gering über die Magen-Darm-Schleimhaut aufgenommen. Daher besteht eine vergleichsweise hohe orale Dosistoleranz. Vorsicht ist allerdings bei Katzen geboten! Aufgrund einer unzureichenden Verstoffwechselung von Permethrin kann es beim Ablecken von lokal aufgetragenen Präparaten oder Applikation von stark konzentrierten Mitteln zu neurologischen Ausfallerscheinungen bis hin zu Todesfällen kommen.

Bei Hunden steigt die Toxizität bei Dauerkontakt über die Haut oder die Atemwege an. Auch bei größeren Hautläsionen ist Vorsicht geboten. Hier besteht das Risiko einer resorptiven Vergiftung. (Ungemach 1994b). Wie bei nahezu jedem anderen Arzneimittel auch, gibt es potenzielle Nebenwirkungen, die sich vor allem lokale Kontaktreaktionen wie Rötungen, Juckreiz oder fokalen Haarausfall umfassen. In seltenen Fällen kommt es zu Magen-Darm-Reaktionen oder auch Unruhezuständen oder anderen neurologischen Erscheinungen, die in der Regel vorübergehend sind. In der Packungsbeilage der entsprechenden Präparate wird zudem darauf hingewiesen, dass bei Nutzung der Halsbänder oder frisch aufgetragenen Spot-on-Präparaten Vorsichtsmaßnahmen in Haushalten mit kleinen Kindern getroffen werden sollten (kein längerer Hautkontakt, keine orale Aufnahme). Bei Berücksichtigung der richtigen Anwendung gelten diese Präparate dennoch als sicher.

Die Gruppe der Isoxazoline

Neben der Gruppe der Pyrethroide gibt es die Isoxazoline. Dazu zählen beispielsweise die Wirkstoffe Fluralaner, Afoxolaner und Sarolaner wie sie in den Kautabletten Bravecto®, NexGard® und Simparica® enthalten sind. In Haushalten mit Katzen und kleinen Kindern scheinen diese Präparate die sicherere Alternative zu sein, da der Wirkstoff nach Aufnahme der Präparate rasch über den Darm des Hundes resorbiert und im Blut verteilt wird. Somit besteht keine potenzielle Gefahr bei Kontakt mit Fell oder Haut des Hundes.

Der große Nachteil dieser Produkte ist, dass sie keinen repellierenden Effekt aufweisen. Im Bezug auf die meisten durch Zecken übertragenen Erkrankungen ist dies kein Problem, da die Übertragung von Erregern erst nach einem gewissen Zeitraum nach Ansaugen der Zecken erfolgt. Jedoch gibt es auch bestimmte Erreger, wie z. B. das Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus, die unmittelbar nach dem Stechakt übertragen werden.

Der Wirkstoff Fluralaner

Zudem hat besonders das Präparat Bravecto® kurz nach seiner Einführung Aufsehen erregt, da es in Verbindung mit dem Auftreten von epileptiformen Anfällen gebracht wurde. Der Wirkstoff Fluralaner bindet an bestimmte Rezeptoren im Nervensystem von Insekten und Spinnentieren. Es kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass auch eine Bindung an Rezeptoren von sensiblen Wirbeltieren, somit unseren Hunden, erfolgen kann. Bewiesene Fälle, in denen Bravecto® sicher die auslösende Ursache für ein Anfallsgeschehen war, gibt es jedoch nicht. Dazu sind die beschriebenen Fälle unzureichend dokumentiert und diskutiert (Gaens et al. 2019b).

Aufgrund der Häufung von Meldungen zu neurologischen Ausfallerscheinungen nach Gabe von Bravecto® wurde im August 2017 jedoch ein Sicherheitsbericht durch den Ausschuss für Tierarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur erstellt. Daraufhhin wurden die Hinweise zu den Nebenwirkungen in der Packungs beilage von Bravecto® erweitert:

[…] „In sehr seltenen Fällen wurde […] von Krämpfen und Lethargie berichtet.“ […] Zusätzlich wird […] der Hinweis „Bei Hunden mit bekannter Epilepsie mit Vorsicht anwenden.“ […] eingefügt (www.bvl.bund.de).

Zeckenschutz: Nutzen-Risiko-Abwägung

Somit sollte beim Einsatz von Ektoparasitika immer eine Nutzen- Risiko-Abwägung erfolgen. Bei Hunden, bei denen bereits eine Epilepsie diagnostiziert wurde, würden wir von der Nutzung der oralen Präparate abraten. Generell gilt es, Faktoren wie Alter und Vorerkrankungen sowie Lebensweise und Lebensumfeld des Hundes zu berücksichtigen. Maßnahmen zur Bekämpfung und Vorbeugung von Ektoparasiten müssen somit individuell an den Hund angepasst werden.

Da aufgrund des zunehmenden Reiseverkehrs und der sich verändernden Klimabedingungen auch bei uns in Deutschland das Auftreten von durch Ektoparasiten übertragenen Erkrankungen deutlich gestiegen ist, kommen wir nicht umher, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen. So sollten wir unsere Hunde regelmäßig nach Spaziergängen auf Parasiten absuchen und diese entsprechend entfernen. Dabei besteht jedoch immer die Gefahr, dass wir Zecken übersehen können. Da die Folgen einer durch Zecken übertragenen Erkrankung schwerwiegend bis gar tödlich enden können, raten wir in unserer Tierärztlichen Klinik ausdrücklich zu einer Ektoparasiten-Prophylaxe. Die möglichen Risiken einer „Vergiftung“ durch solch ein Präparat sind wie beschrieben fragwürdig und weitaus (!) geringer als der Ausbruch einer Babesiose, Anaplasmose, Ehrlichiose oder anderen lebensgefährlichen übertragenen Erkrankungen.

Dr. Pasquale Piturru und Ann Christin Petzak, www.tierklinik-quickborn.de