Studien rund um den Hund zu verstehen kann eine Herausforderung sein. Der bekannte Ethologe Prof. Dr. Ádám Miklósi bringt sie uns näher. Hier geht es darum, was dazu beitragen kann, dass sich bei Hunden repetitive, also immer wieder wiederholende, Verhaltensweisen entwickeln.

Repetitives Verhalten reicht von Varianten normaler repetitiver Verhaltensweisen bis hin zu abnormalen repetitiven Verhaltensweisen. Letztere sind bei wilden und domestizierten Tieren in Gefangenschaft zu beobachten, jedoch nicht in freier Wildbahn, obwohl sie das Ergebnis normaler Verhaltensprozesse zu sein scheinen.

Hunde führen spontan verschiedene repetitive Verhaltensweisen aus, die schwerwiegend sein und die Lebensqualität sowie die Beziehung zwischen Hund und Besitzer beeinträchtigen können. Abnorme repetitive Verhaltensmuster werden bei 16 Prozent der Familienhunde beobachtet und treten in vielen Formen auf.

Sie wurden folgendermaßen kategorisiert:

  • lokomotorisch (Kreisen, Schwanzjagen, Lichtreflexen hinterherjagen, Erstarren)
  • oral (Bein- oder Fußkauen, Selbstlecken, Flankensaugen, Kauen oder Lecken von Gegenständen und Schnappen in die Luft (Fliegenfangen))
  • aggressiv (selbstgerichtete Aggression, Knurren oder Beißen in das Hinterteil, die Hinterbeine oder den Schwanz)
  • vokal (zwanghaftes rhythmisches Bellen oder Winseln)
  • halluzinatorisch (Starren auf Schatten und Lichtreflexe jagen)

Repetitives Verhalten tritt typischerweise während der Welpenzeit vor dem ersten Lebensjahr auf. Es variiert in Schwere und Dauer und wird oft durch Frustration, Langeweile oder Stress ausgelöst.

Die Methode

Ein finnisches Forschungsteam unter der Leitung von Hannes Lohi hat umfassende Verhaltensfragebogendaten zu fast 4.500 finnischen Familienhunden gesammelt. Es untersuchte die Auswirkungen mehrerer demografischer, Umwelt- und Verhaltensfaktoren auf repetitives Verhalten.

Wichtige Ergebnisse

Ähnlich wie bei früheren Studien stellte das Team fest, dass es eine positive Assoziation zwischen repetitivem Verhalten und Verhaltensfaktoren wie Aggressivität, Hyperaktivität/Impulsivität und Unaufmerksamkeit gibt. In dieser Population traten repetitive Verhaltensweisen häufiger (als der Populationsdurchschnitt) auf bei Deutschen Schäferhunden, Staffordshire Bullterriern, Cairn Terriern und Mischlingen. Seltener waren sie bei Schnauzern und Smooth Collies.

Hunde, die weniger als eine Stunde Bewegung (Spaziergang usw.) und keinen hündischen Kumpan hatten, zeigten eher repetitive Verhaltensweisen. Ersthundebesitzer und Besitzer, die in größeren Familien leben, berichteten ebenfalls häufiger über repetitives Verhalten bei ihren Hunden. Wie erwartet zeigten jüngere und ältere Hunde häufiger repetitive Verhaltensweisen als erwachsene Tiere.

Was haben wir gelernt?

Das Wiederholen einer Handlung kann verschiedene Ursachen haben und Teil des natürlichen Verhaltens sein. So sind z. B. wiederholte Handlungen der Pflege normal, wenn der Hund einen Parasiten aus seinem Fell entfernen möchte. In einigen Fällen kann jedoch die zu hohe Frequenz eines solchen Verhaltensmusters die normale Funktion stören und es tritt in Abwesenheit relevanter Umweltreize auf.

Abnormes repetitives Verhalten kann das Wohlbefinden von Hunden erheblich beeinträchtigen. Es schränkt zudem oft die Beziehung zwischen Hund und Besitzer ein. Ein besseres Verständnis der Umwelt-, Lebensstil- und genetischen Faktoren kann jedoch die Entwicklung des repetitiven Verhaltens bei Hunden verhindern und sowohl ihnen als auch den Menschen zugutekommen.

Zum Weiterdenken

Wichtig ist, dass diese Art von Forschung keine kausalen Beziehungen festlegt. Das bedeutet, dass beispielsweise Deutsche Schäferhunde möglicherweise anfälliger für die Entwicklung repetitiver Verhaltensweisen sind, aufgrund bestimmter rassebedingter genetischer Faktoren, aber es könnte auch darauf hinweisen, dass diese Rassenhunde typischerweise in Situationen leben (z. B. in Zwingern), die eher geeignet sind, diese Art von Verhaltensstörung hervorzurufen.

Der nächste Schritt der Forschung sollte direkte Verhaltensbeobachtungen in experimentellen Umgebungen umfassen. Das Ziel davon: festzustellen, welche Faktoren direkt zur Entwicklung repetitiver Verhaltensweisen bei Hunden beitragen können. Die wichtigste zu beantwortende Frage ist: Wie können Menschen verhindern, dass ihre Hunde diese nachteilige Kondition entwickeln, die anscheinend bei vielen ein ernsthaftes Problem ist?

Die Studie, auf die sich der Beitrag bezieht: Sulkama, S., Salonen, M., Mikkola, S., Hakanen, E., Puurunen, J., Araujo, C., Lohi H. (2022) Aggressiveness, ADHD like behaviour, and environment influence repetitive behaviour in dogs. Scientific Reports, 12, 3520. https://doi.org/10.1038/s41598-022-07443-6

VERANSTALTUNGSTIPP

Um Verhalten und Verhaltensstörungen von Hunden, unter anderem Themen wie Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsproblemen sowie Zwangsverhalten, dreht sich am 21. und 22. September in 86504 Merching im DER HUND Verlagsgebäude unser Live-Seminar mit Prof. Dr. Ádám Miklósi und Dr. med. vet., M.Sc. Pasquale Piturru. Letzterer ist Fachtierarzt für Verhaltenskunde, für Kleintiere und für Tierschutzkunde und führt die Zusatzbezeichnung Verhaltenstherapie.

Mit einem medizinisch-biologischen Ansatz gehen wir den Themen auf den Grund, denen Hundetrainerinnen und -trainer im Alltag begegnen und geben Hilfestellung für die Praxis. Die Anmeldung ist sowohl für beide Tage als auch für einen einzelnen Tag möglich.

Mitglieder im DER HUND Club und Mitglieder im BHV nehmen vergünstigt teil. Das Seminar-Programm sowie die Möglichkeit zur Anmeldung gibt’s in unserer DER HUND Akademie.

Wie es bei uns aussieht, zeigen dir die Eindrücke unserer Minddog-Fortbildung für Hundetrainer:innen mit Nadia Winter im Mai 2024 und der Veranstaltung mit Ádám im März 2024.