Bereits im alten China und in Ägypten nutzten die Menschen Heilpflanzen als Arznei. Heute erfreut sich die Pflanzenheilkunde oder Phytotherapie als Alternative oder als Begleittherapie zur klassischen Schulmedizin wachsender Beliebtheit, auch beim Hund. Tierärztin Dr. Alexandra Nadig erklärt, wie man die Kraft der Heilpflanzen sinnvoll einsetzt, beschreibt aber auch die Risiken und wie man einen kompetenten Therapeuten findet.

Was ist Phytotherapie?
Rückbesinnung
Pflanzlich ist nicht automatisch sanft
Pflanzliche Alternativen zu Antiparasitika, Antibiotika und Kortison
Pflanzlich entwurmen?
Die pflanzliche Hausapotheke

Was ist Phytotherapie?

Die Phytotherapie behandelt Krankheiten und Befindlichkeitsstörungen mit Hilfe pflanzlicher Wirkstoffe. Diese Wirkstoffe werden aus der ganzen Pflanze gewonnen – von der Wurzel bis zur Blüte. Es handelt sich um den Gesamtextrakt der Pflanze, der alle in ihr enthaltenen Wirkstoffe mit einschließt. Dadurch unterscheiden sich die Wirkstoffe von sogenannten pflanzlichen Reinstoffen, die häufig in der klassischen, synthetisch orientierten Medizin Anwendung finden – wie zum Beispiel Morphin aus dem Schlafmohn, Atropin aus der Schwarzen Tollkirsche oder Acetylsalicylsäure aus der Weidenrinde. Im eigentlichen Sinne ist die Phytotherapie eine Form der Naturheilkunde.

Pflanzheilkunde Hund

Die wissenschaftlich orientierte und schulmedizinisch anerkannte klassische Naturheilkunde behandelt mit naturbelassenen Stoffen der Umwelt – wie Pflanzen, Erden und der Nahrung. Außerdem nutzt sie Prozesse, die natürlichen Lebensvorgängen entsprechen – wie Bewegung, Kälte, Wärme und Wasser.

Rückbesinnung

Das Behandeln mit Pflanzen ist die Basis aller Medizinsysteme und war noch vor nicht einmal 200 Jahren Grundlage unserer Schulmedizin. Ende des 18. Jahrhunderts war jedoch das Heilen mit Pflanzen nicht mehr modern. Ärzte setzten neue, synthetische Medikamente ein. Heute wünschen sich viele Menschen wieder ein Umdenken. Das gilt auch für die Tiermedizin.

Einen gut ausgebildeten Therapeuten zu wählen, ist sehr wichtig. Denn leider gibt es auch hier „Mitmacher“, die auf die Welle aufspringen, um schnelles Geld zu machen. Nicht selten kommt es zu Vergiftungen, auch mit Todesfällen, wenn leichtsinnig und ohne Fachverstand mit pflanzlichen Wirkstoffen bei Tieren experimentiert wird. Ein gut ausgebildeter Phytotherapeut kennt sein Heilsystem sehr genau und weiß auch um die verschiedenen Einsatzbereiche, Unverträglichkeiten und Besonderheiten bei den einzelnen Tierarten. Einen guten Therapeuten zu erkennen, ist für Laien schwierig, denn der Begriff des Tierheilpraktikers ist nicht geschützt. Hellhörig sollte man werden, wenn ein Therapeut sehr viele unterschiedliche Therapieformen anbietet. Die Phytotherapie ist eine eigene Wissenschaft, man braucht viel Zeit, um sie zu erlernen. Bei Tierärzten kann der Hinweis auf die GGTM (Gesellschaft für Ganzheitliche Tiermedizin) helfen.

Pflanzlich ist nicht automatisch sanft

Es ist kritisch zu sehen, wenn in großen Mengen Heilpflanzen verfüttert werden, sei es in Form von Pulvern und Pellets oder im Futter. Der Hundebesitzer, der für seinen Schützling nur das Beste will, fällt schnell auf solche Werbestrategien herein und meint, seinem Hund etwas Gutes zu tun. Heilpflanzen besitzen Wirkstoffe – und diese wirken auch! Bei unsachgemäßem Gebrauch haben sie entsprechende Nebenwirkungen.

Richtig eingesetzt, ist die Phytotherapie eine ausgezeichnete und sehr wirkungsvolle Therapierichtung. Vieles kann der Hundehalter auch zu Hause mit pflanzlichen Wirkstoffen behandeln. Hier kommen vor allem die sogenannten „Mite-Drogen“ (lat. mitis = mild, Droge = getrocknete Heilpflanze) zum Einsatz. So bezeichnet man sehr verträgliche Drogen wie Kamille, Fenchel oder Ringelblume, die der Halter bei leichteren Befindlichkeitsstörungen selbst geben kann.

Gute Begleittherapie

Aber auch schwerwiegendere Erkrankungen kann ein Phytotherapeut in Form einer Begleittherapie gut behandeln. Dazu gehören internistische Erkrankungen des Herzens, der Leber und der Niere, aber auch Magen- und Darmerkrankungen, Hauterkrankungen und die Wundbehandlung. Oft behandeln Phytotherapeuten begleitend zur synthetischen Medizin. So können zum Beispiel Saponine, das sind chemische Verbindungen, die fast ausschließlich in Pflanzen vorkommen, die Wirkung einiger Antibiotika verstärken und Resistenzen auf diese minimieren. Auch alte und chronisch kranke Tiere profitieren von einer phytotherapeutischen Behandlung.

Pflanzliche Alternativen zu Antiparasitika, Antibiotika und Kortison

Antibiotika ersetzen

Hundehalter wünschen sich vermehrt natürliche Behandlungskonzepte und fragen nach Alternativen zu Antiparasitika, Antibiotika und Kortison. Wo bis vor Kurzem noch unkritisch Antibiotika verabreicht wurden, werden heute naturheilkundlich arbeitende Tierärzte und Tierbesitzer immer vorsichtiger. Und das ist auch gut so – denn die Pflanzenwelt bietet einige sehr gute Phytobiotika (Pflanzen mit antibiotischer Wirkung), die auch schmerzlindernde und entzündungshemmende Wirkstoffe enthalten.

Ätherische Öle gegen Keime

Vor allem heute, im Zeitalter der immer resistenter werdenden Bakterien und Parasiten, ist es enorm wichtig, nach pflanzlichen Alternativen zu suchen. Phytotherapeuten haben die Möglichkeit, ein Aromatogramm im Labor erstellen zu lassen und damit die Wirkung ätherischer Öle auf die Keime zu testen. Dafür nimmt man einen Abstrich und beimpft im Labor einen Nährboden damit. Sobald die Bakterien gewachsen sind, gibt man kleine Plättchen mit ätherischen Ölen darauf. Um die Öle, die gegen den Keim wirken, entsteht ein sogenannter Hemmhof, das heißt, dort wachsen keine Keime mehr. Sehr gut und oft wirkt Thymian-Öl, manchmal auch Oregano, Zimtblatt und Melisse. Vorteil der ätherischen Öle: Sie sind immer ein wenig anders und durchbrechen sogar den Biofilm, die schützende Schleimschicht um die Bakterien. Das heißt, es bilden sich keine Resistenzen.

Pflanzlich entwurmen?

Häufig fragen Hundebesitzer nach pflanzlichen Alternativen zur Entwurmung. Es gibt tatsächlich altüberlieferte pflanzliche Entwurmungsmittel, die jedoch sehr drastisch wirken und deren Gebrauch auch dem Wirt schaden kann! Leider übernehmen selbsternannte Heilpflanzenkenner altes, überliefertes Wissen manchmal unkritisch, woraus absurde Tipps, wie zum Beispiel das Entwurmen mit Rainfarn, entstehen. Der Rainfarn hat durchaus parasitenwidrige Wirkstoffe. Diese wirken aber auch intensiv auf den Patienten und eine solche „eigenmächtig unternommene Wurmkur“ kann tödlich enden. Trotzdem muss ein Parasit, der seinem Wirt schadet, bekämpft werden. Hier ist eine synthetische Entwurmung notwendig. Jedoch ist eine Wurmtablette niemals als Prophylaxe zu sehen, zudem schädigt sie den Darm, sein Immunsystem und die Leber. Besser ist es, Kotuntersuchungen durchzuführen, um zu sehen, ob wirklich Würmer da sind. Die heute gängigen pflanzlichen Antiparasitika wie Knoblauch, Karotte, Kokos und Schwarzkümmelöl stärken den Organismus (Knoblauch) oder bekämpfen die Parasiten mechanisch (Kokosfasern) und können vorbeugend und begleitend eingesetzt werden.#

Die pflanzliche Hausapotheke

Fazit

Die Veterinärphytotherapie ist als eine Ergänzung zur klassischen Schulmedizin zu sehen. Ausgebildete Tierärzte und Tierheilpraktiker können mit pflanzlichen Stoffen vieles sehr gut behandeln. Auch der Hundebesitzer kann mit einigen Heilpflanzen sehr viel für seinen Liebling tun. Eine Heilpflanzenhausapotheke kann er zu Hause griffbreit haben und im Notfall einsetzen.

Die pflanzliche Hausapotheke

Durchfall: Verabreichen von gerbstoffhaltige Pflanzen wie Eichenrinde, Heidelbeere, Brombeerblätter. Durchfallteemischung: 10 g getrocknete Heidelbeeren, 10 g Brombeerblätter, 10 g Kamille, 10 g Fenchel, 10 g Gänsefingerkraut

  • Als Tee: für einen großen Hund 1 Esslöffel voll mörsern, aufgießen, erkalten lassen und ins Futter geben
  • Als Tinktur: dreimal täglich 5 Tropfen
  • Als Tabletten: zum Beispiel mit Kaffeekohle, Kamille, Myrrhe aus der Apotheke

Magenbeschwerden: Kamillentee oder Kaltwasserauszug aus Malven oder Eibisch: 1 Esslöffel auf ein Glas kaltes Wasser – 30 Minuten stehen lassen, abseihen und eingeben

Erbrechen bei Autofahrt: Ingwertabletten aus der Apotheke (Kinderdosis)

Hautekzeme: Eine Hand voll frischer Walnussblätter mit kochendem Wasser aufgießen, erkalten lassen und damit Hautekzeme und juckende Stellen zweimal täglich waschen und betupfen – wirkt juckreizlindernd und entzündungshemmend.

Wundbehandlung

  • Propolistinktur: verdünnt oder pur auf Wunden auftragen, zur Desinfektion
  • Ringelblumentinktur (Calendula Essenz): verdünnt oder pur auf Wunde auftragen
  • Spitzwegerich: unterwegs pflücken, zerquetschen und reiben, bis Saft austritt, diesen auf kleinere Wunden auftragen. Stillt die Blutung, desinfiziert und wirkt wundheilfördernd
  • Schafgarbe: Tee (frisch oder als Teekraut) zubereiten und Wunde damit waschen

Rezeptur für eine Wundsalbe: Gut zwei Hände voll Ringelblumenblüten (frisch gesammelt oder getrocknet aus der Apotheke) in 100 ml Olivenöl geben und in einem Topf erwärmen (nicht über 70 °C). Nun 30 bis 60 Minuten unter Rühren ausziehen lassen. Vorsicht – die Blüten nicht frittieren! Danach die Kräuter abgießen, Reste gut auspressen. 10 g Bienenwachs hinzugeben und zum Schmelzen bringen, alles gut verrühren und dann in einen Salbentiegel geben. Die Salbe pflegt die Pfoten im Winter und eignet sich wunderbar zur Wundversorgung, da sie die Wundheilung anregt.

Dieses und viele weitere Rezepte finden Sie in Dr. Alexandra Nadigs Buch „Heilpflanzen für Hunde – Wirkungsweise, Rezepturen und Anwendung“, erschienen im Kosmos Verlag (19,99 Euro).