Manchmal sitzt unser Vierbeiner da, blickt uns tief in die Augen und scheint jedes Wort zu verstehen. Er reagiert auf Gefühlszustände, freut sich, wenn wir uns freuen, und legt sein Köpfchen auf unseren Schoß, wenn es uns mal nicht so gut geht. Aber nicht nur diese enorme Sensibilität macht Hunde zu etwas ganz Besonderem: Hunde können einen größeren Wortschatz haben als trainierte Affen und zeigen auch sonst ein hohes Maß an Intelligenz. Forschende haben schon einiges herausgefunden, suchen aber noch nach besonders schlauen Vierbeinern, etwa ein ungarisches Uni-Team mit der Genius Dog Challenge.
Es finden sich jede Menge Begriffsdefinitionen zur Intelligenz. Fakt ist, dass Intelligenz eine zusammengesetzte Eigenschaft ist. Sie enthält die Bausteine der genetischen Veranlagung, der psychischen Wahrnehmung und der Lernfähigkeit. Kurz: Es handelt sich um die Fähigkeit, individuelles Verhalten aufgrund von Erfahrungen anzupassen.
Der angeborene Teil der Intelligenz kann jedoch noch so ausgeprägt sein, ohne die richtige Förderung kann er nicht zum Ausdruck kommen. Genau so ist es auch bei den Tieren: Sie lernen in jungen Jahren, ähnlich wie der Mensch, hauptsächlich nach den Prinzipien des Nachahmens von beobachteten Verhaltensweisen und Try and Error-Versuchen. Anscheinend wissen auch unsere vierbeinigen Freunde, dass man aus Fehlern schlau wird.
Die tierische Intelligenz wird am einsichtigen Verhalten gemessen. Die nächsten Verwandten des Menschen, Schimpansen, gelten auf Grund der Tatsache als intelligent, dass sie Gegenstände zu ihrem Nutzen einsetzen. Eines der bekanntesten Beispiele hierfür ist die Verwendung eines Stockes als Werkzeug, um den in den Baumlöchern versteckten Honig und andere Insekten zu fischen.
Zu den absoluten “Strebern” unter den Tieren gehören allerdings die Kolkraben: Sie holen die von Fischern ausgelegten Angelleinen wieder ein, um den frischen Fang alleine zu verputzen.
Hunde: die Schlaumeier unter den Tieren
Die besonderen Fähigkeiten von Hunden waren schon vor langer Zeit der Grund dafür, dass er noch vor der Ziege, dem Rind oder Katze zum ersten vierbeinigen Gefährten des Menschen wurde. Und nicht umsonst überschütteten die alten Franzosen die haarigen Gesellen mit Komplimenten wie diesen: Das Beste am Menschen ist der Hund – und der Hund ist das klügste Tier, das Gott je geschaffen hat. Auch die alten Perser wurden schnell vom fuchsigen Vierbeiner in ihren Bann gezogen und schrieben, dass die Welt nur durch die Intelligenz des Hundes Bestand hätte.
Die Intelligenz der Hunde basiert, wie bei anderen Tieren auch, auf der Begabung, ihre Artgenossen nachzuahmen. Bisher galt diese Fähigkeit, die Absichten und Ziele von anderen zu verstehen, als Merkmal der menschlichen Intelligenz. Auch die schnelle Anpassungsfähigkeit des Hundes ist ein Zeichen für eine hohe Intelligenz. Ein an den Zweibeiner gewöhnter Vierbeiner, der sich ohne sein Herrchen draußen und in ungewohnten Situationen schnell zurechtfindet, kann zu den hochintelligenten Vertretern gezählt werden.
Aufgrund all dieser Erkenntnisse wurde der älteste Weggefährte des Menschen zu einem interessanten Forschungsobjekt auf dem Gebiet der Verhaltensbiologie.
Es begann mit Rico
Rico war ein Border Collie, der 3 Jahre als “Versuchshund” am Max Planck Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig verbrachte. In dieser Zeit mauserte er sich zum absoluten Hahn im Korb. Der Rüde kam durch seine erstaunliche Fähigkeit, aus einem Haufen ähnlich aussehender Kuscheltiere immer das gefragte herauszusuchen, in die Medien. Mit dieser bühnenreifen Begabung wurde er sogar auf den Thron des Wettkönigs bei “Wetten, dass” gewählt.
Rico verfügte über ein Vokabular von rund 200 Begriffen, die er bestimmten Gegenständen zuordnen konnte. Mit diesem Wortschatz konnte er sich mit sprachtrainierten Affen, Delfinen oder Papageien auf eine Stufe stellen. Die Forscher:innen des Max Planck Instituts setzten sich das Ziel, Ricos Lernmethode zu durchblicken und mit der von Kleinkindern zu vergleichen.
Hierzu verteilten sie zunächst die 200 bekannten Spielzeuge zu je 10 Stück in verschiedenen Räumen und forderten Rico danach auf, eine Reihe dieser Gegenstände zu finden und dem Forscherteam zu bringen. Die Erfolgsquote lag bei 37 von 40 richtig zugeordneten Spielzeugen. Für das Team stand fest, dass es sich hier um keinen Zufall handeln konnte und Rico die Namen der Gegenstände tatsächlich kannte. Der Rüde gilt als der erste Hund, bei dem die Fähigkeit, Spielzeuge zu holen, deren Namen er genannt bekam, dokumentiert wurde.
Neue Begriffe schnell zugeordnet
Kleinkinder lernen die meisten Dinge, indem sie indirekt erschließen, was von ihnen gefordert wird oder wozu Dinge gut sind, die sie täglich in ihrer Umwelt entdecken. So kann man Kindern beispielsweise einen roten und einen grünen Ball anbieten und sie um den “chromfarbenen” Ball bitten. Nach dem Ausschlussverfahren würden sie den grünen Ball bringen, ohne den Begriff “chromfarben” je gehört zu haben. Dieser Prozess des schnellen Zuordnens wird als “fast mapping” bezeichnet. Auf diese Weise erweitern Kleinkinder ihr Vokabular fast täglich.
Nun wollten die Wissenschaftler:innen testen, ob der schlaue Border Collie auch zum so genannten “fast mapping” in der Lage war. Hierzu legten sie zu 7 bekannten Spielzeugen ein neues unbekanntes und forderten: “Rico! Wo ist der “xyz?”. Das Team wiederholte dieses Experiment mit insgesamt zehn neuen Spielzeugen. Doch der gerissene Rüde ließ sich von der neuen Situation nicht beirren und holte in 70 % der Fälle den richtigen Gegenstand.
Zuvor war angenommen worden, dass diese Lernmethode nur Menschen anwenden, da sie eng mit der Sprache verknüpft ist. Ricos Experimente stellten diese Theorie in Frage. Der Mensch schien nun nur eines unter anderen Tieren zu sein, welches diese Methode anwendet. In einem weiteren Durchlauf wollten die Forschenden des Max Planck Instituts herausfinden, ob Rico sich die neu eingeführten Begriffe und die dazugehörigen Spielzeuge gemerkt hatte. Und auch in diesem Fall konnte der intelligente Border Collie mir einer Erfolgsquote von 50 % überzeugen. Und diese ist vergleichbar mit der dreijähriger Kinder.
Das Max Planck Institut hatte nach 3 Jahren intensiver Forschungsarbeit mit Border-Collie Rico wissenschaftlich bewiesen, dass Hunde die menschliche Sprache erstaunlich gut verstehen und Fähigkeiten zeigen, die bisher nur bei Kleinkindern erwartet wurden.
Auf der Suche nach schlauen Hunden
Im Oktober 2021 starteten die Forscherinnen Dr. Juliane Kaminski, Direktorin des Dog Cognition Centre der Universität Portsmouth und Dr. Juliane Bräue, Leiterin des DogLabs am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, das Projekt “Finding Rico”. Damit wollen sie Hunde finden, die so schlau sind wie der Hund, mit dem alles begann. „Rico war eindeutig ein besonders begabter Hund, aber wir wissen, dass es noch weitere gibt, die ebenso begabt sind”, sagt Dr. Kaminski. “Wir hoffen, dass dieses Citizen-Science-Projekt Menschen dazu ermutigt, mit uns zusammenzuarbeiten, um die Intelligenz ihrer Hunde zu testen und herauszufinden, wie verbreitet diese herausragenden Fähigkeiten wirklich sind.“
Forschung in Ungarn mit Hunden aus aller Welt
Auch das Hundeforschungs-Team um Prof. Dr. Ádám Miklósi von der Eötvös Loránd University in Budapest sucht nach den Genies unter den Hunden. Ganz so einfach ist das allerdings nicht, denn solche Vierbeiner gibt es nicht wie Sand am Meer. Team-Mitglied Shany Dror erklärt:
“Eine der faszinierendsten Fragen für Forschende ist, wie der Mensch die Fähigkeit entwickelt hat, Sprache zu benutzen, und glücklicherweise sind einige Hunde in der einzigartigen Lage, uns bei der Beantwortung dieser Frage zu helfen. Wenn ein Hund versteht, wenn wir ihn bitten, einen bestimmten Gegenstand zu holen, zum Beispiel “Tennisball”, kann er viele Fragen beantworten. Wir können dem Hund z. B. eine Reihe verschiedener Gegenstände vorlegen, die alle wie sein Tennisball aussehen, und sehen, welchen er auswählt. Die im Rahmen der Genius Dog Challenge an der ELTE-Universität (Budapest) durchgeführten Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass nur sehr wenige Hunde in der Lage sind, die Namen von Hundespielzeug zu lernen. Diese einzigartig begabten Hunde können die Namen von Hunderten von Spielzeugen lernen.”
Eine Studie hat ergeben, dass diese Vierbeiner den Namen eines neuen Spielzeugs kennen, wenn sie diesen nur 4 Mal gehört haben. Einige Hunde konnten in nur einer Woche die Namen von 12 neuen Spielzeugen lernen und waren in der Lage, sich an diese für bis zu 2 Monate zu erinnern.
Ist dein Hund ein Genie?
Das Team aus Ungarn forscht seit 2018 mit schlauen Hunden. Allerdings suchen auch sie noch weitere Vierbeiner, die ihnen bei ihrer Forschung helfen. Bisher gehören z. B. der Border Collie Rico aus Spanien (benannt nach Rico aus Leipzig) zum Projekt. Auch aus den USA, Ungarn, Brasilien, Norwegen und den Niederlanden sind dabei. Wenn auch dein Hund die Namen von mehr als 10 Gegenständen oder Spielzeugen kennt und du die Forscher:innen unterstützen möchtest, kannst du dich online bewerben! Hier kommst du zur “Genius Dog Challenge”.