Auf Facebook, Youtube, Instagram & Co. werden sie zuhauf hochgeladen: Videos, die vermeintlich herzzerreißende Tierschicksale und herzerwärmende Rettungen zeigen. Manchmal steckt dahinter allerdings massives Leid aufgrund von Gier nach Klicks und Reichweite. 

Text: Lena Schwarz

Sie werden auch als Fake Rescues bezeichnet: Videos, in denen uns die Rettungen von Tieren aus schlimmen Verhältnissen gezeigt werden, die Tiere aber spezifisch dafür überhaupt erst in fürchterliche Situationen gebracht wurden. Um dagegen vorzugehen, in Dialog mit den Plattformen zu treten, auf denen die Videos verbreitet werden und uns als Konsumenten der Inhalte darüber aufzuklären, hat sich die Social Media Animal Cruelty Coalition (SMACC) zusammengefunden: ein Bündnis gegen Tierquälerei in Sozialen Medien. Beteiligt sind daran aktuell 29 Organisationen aus der ganzen Welt.

Umfassende Analyse

Ein Rechercheteam des Bündnisses hat mehr als 600 Videos analysiert und die Ergebnisse diesen Herbst veröffentlicht. Gesammelt wurden die Inhalte 3 Monate lang auf Facebook, TikTok, YouTube und weiteren sozialen Netzwerken. Wie die an SMACC beteiligte Welttierschutzgesellschaft (WTG) aus Berlin mitteilte, konnten insgesamt 9 unterschiedliche Formen von inszenierten Rettungen ermittelt werden, die sich in 3 große Themenblöcke gliedern lassen:

  • Rettung aus Gefahrensituationen: darunter fallen z. B. vermeintlich verlassen aufgefundene oder begrabene Tiere, ebenso wie solche, die gefangen waren bzw. feststeckten, etwa in Plastiktüten oder mit den Gliedmaßen verschnürt, sowie Tiere kurz vor dem Ertrinken
  • unrealistische Szenarien: Tiere wurden vor einem Angriff durch andere Tiere gerettet; oftmals begegnen dabei einander Arten, die in der Wildnis nie aufeinandertreffen würden
  • Vermeintliche Behandlungen: Tiere erhalten eine unprofessionelle tiermedizinische Behandlung oder werden „wiederbelebt“; weitere Videos zeigen Tiere mit unnatürlich hohem Parasitenbefall

„Auch Tierärzt*innen haben die Videos für den Bericht umfassend analysiert und konnten feststellen, dass die Tiere durch die Inszenierungen schmerzhafte, physisch schädliche und traumatische Erfahrungen erleiden müssen, die bis zum Tod führen können“, sagt Wiebke Plasse von der WTG. „Die Qualen, die die Erstellenden von Fake-Rescue-Inhalten den Tieren zufügen, um sich als ihre Retter*innen darzustellen, kennen kaum Grenzen.“

Fakes erkennen

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg, solchen Videos einen Riegel vorzuschieben, ist der Entzug von Reichweite. Allein die für den Bericht von SMACC analysierten Uploads brachten es gemeinsam auf mehr als 500 Millionen Aufrufe. Den Videos die Aufmerksamkeit zu nehmen, ist allerdings ziemlich schwer: „Die Inhalte sind beliebt, weil es Nutzer*innen oftmals schwerfällt, die Inszenierung zu erkennen. Mit Likes, Kommentaren und dem Teilen unterstützen viele leider ungewollt das Geschäft der Erstellenden“, weiß Wiebke Plasse. Zudem werden die Fake Rescues immer realistischer.

Screenshots: WTG, SMACC

Im Screenshot aus einem Fake Rescue Video ist ein Welpe zu sehen, der auf einem Bahngleis befestigt wurde.
Ein Kätzchen versucht, aus einem Gewässer zu klettern und wird von einer vermeintlichen Retterin herausgezogen.

Vermeintlich in Lebensgefahr befindet sich der Welpe in einem Plastiksack auf einer Bahnstrecke. Doch der Kanal der Person, die das Video hochgeladen hat, zeigt zahlreiche weitere inszenierte Rettungen mit diesem Tier und weiteren.

6 Bildschirmaufnahmen aus einem typischen inszenierten Rettungsvideo: Die junge Katze versucht, ihren Kopf über Wasser zu halten und herauszuklettern. Dann „eilt“ eine Person zu Hilfe. Das Kätzchen wird mit einem „zufällig“ dafür vorhandenen Handtuch abgetrocknet und erhält eine vermeintlich notwendige Versorgung (Krallen kürzen?!).

Leider gibt es keinen universellen Indikator, anhand dessen sich ein Video eindeutig als inszeniert entlarven lässt. Um allen, die online unterwegs sind, dabei zu helfen, Fake Rescues erkennen zu können, hat das Bündnis aber 3 Schritte definiert und einen Leitfaden erstellt. A steht dafür, die Authentizität eines Inhalts zu prüfen. R bezieht sich darauf, einen Realitätscheck durchzuführen. E weist darauf hin, auf die Form der Erstellung zu achten.

Ein Blick auf den Kanal hinter einem Video kann bereits aufschlussreich sein: Wurden über das Profil etwa mehrere Rettungsvideos hochgeladen, es gibt aber wenig Informationen darüber, was mit den Tieren nach der „Rettung“ passierte, sind das Hinweise darauf, dass die Inhalte inszeniert worden sein könnten. Taucht immer wieder die gleiche Person auf, obwohl sie der Erzählung im Video(titel) nach rein zufällig auf das notleidende Tier gestoßen ist, handelt es sich sehr wahrscheinlich um inszenierten Content. Verdächtig ist es zudem, wenn in mehreren Videos das gleiche Tier „verwendet“ wurde. Steht keine seriöse, eingetragene Tierschutzorganisation hinter dem Video bzw. Kanal, sollte uns das ebenso stutzig werden lassen.

Auf inszenierten Content hinweisen kann auch eine zu professionell wirkende Aufnahme: Während echte Rettungen durchaus hochwertig gefilmt und die Sequenzen gekonnt bearbeitet werden können, arbeitete daran meist ein größeres Team: einige Menschen retten das Tier zügig, die Dokumentierenden filmen sie dabei. Zeigt ein Video hingegen verzögertes Eingreifen und das Tier wird z. B. in mehreren Perspektiven gefilmt, bevor ihm „geholfen“ wird, deutet das darauf hin, dass das Filmen wichtiger war als die tatsächliche Rettung.

Vonseiten der sozialen Netzwerke lässt die Einsatzbereitschaft, gegen Fake Videos vorzugehen, bisher zu wünschen übrig. Was Klicks bringt, ist für sie schließlich lukrativ und hält die Nutzer:innen möglichst lang auf den Plattformen. Daher ist es wichtig, dass wir alle mithelfen, indem wir z. B. inszenierte Videos nicht teilen und Interaktionen wie Kommentare unterlassen – diese erhöhen nur die Reichweite. Wenn Sie sich noch eingehender über das Thema informieren wollen, finden Sie den Leitfaden zum Erkennen von Fake Rescues auf der Website der WTG.