Ich habe eine Hündin im Alter von ca. 4 Monaten übernommen. Dass diese zu diesem Zeitpunkt nichts kannte, wusste ich bereits. Sie hatte die meiste Zeit ihres jungen Lebens in einem kleinen Gitter – allein- verbracht, wie lange Mutter und Geschwister weg waren, ist nicht bekannt, sie kannte nichts und niemanden, keine Straße, keine anderen Hunde etc.

Sie lebt bei mir nun mit 2 erwachsenen, gut sozialisierten und erzogenen Hunden (8 und 2,5) zusammen, mit denen sie auch kein Problem hat. Generell hat sie sich im Haus recht schnell sicher gefühlt. Ihre Angst vor Haushaltsgeräuschen hat sie innerhalb weniger Tage abgelegt und orientiert sich ansonsten auch sehr an den anderen Hunden. Leider nur drinnen.

Draußen ist das anders: sie verbellt fremde Hunde, Kinder, teilweise Passanten … ein Muster ist bei letzteren nicht zu erkennen. Wird sie angesprochen, bellt/knurrt sie und geht zurück bzw. weicht aus. Teilweise knurrt sie auch, wenn sie jemand zulange anschaut. Kommt ein fremder Hund trotz ihres Gekläffes auf sie zu, weil er beispielsweise freiläuft, ist sie nach kurzem beschnuppern sofort ruhig, ändert ihre Körperhaltung und zeigt schnell auch Spielaufforderungen bzw. spielt dann auch mit dem jeweiligen Hund, als wäre nichts gewesen. Leider scheinen sie aber positive Begegnungen nicht sicherer zu machen, denn beim nächsten Hund beginnt das Theater von vorn. Ich habe dieses bisher ignoriert bzw. es mit schönfüttern versucht, solange die Distanz groß genug und sie ruhig war. 

Was meinen Sie dazu? Ihr Vertrauen zu gewinnen dauerte auch ganz schön lange. Jeder meiner anderen Hunde kam in ihrem Alter neugierig-freudig angerannt, wenn ich ihn aus der Hocke heraus gelockt habe; diese Hündin hat sich von Anfang an geduckt und ist rückwärts gegangen bzw. davongerannt. Dies ist inzwischen nicht mehr so extrem, sie ist ansonsten gesund und auch ziemlich intelligent. Neue Kommandos lernt sie schnell und ist mit großem Eifer bei der Sache. Kastriert ist sie nicht, läufig war sie auch noch nicht.

Haben Sie einen Rat für mich, wie ich bei ihrer Unsicherheit besser/richtig reagiere und inwieweit es möglich ist, dass sie ihre Ängste noch ablegt? 

Jennifer mit Jack Russell-Pinscher Ginger (1/2 Jahr)

Die Expertin: Immer wieder die gleichen Wege gehen

Bei dieser traurigen Herkunftsgeschichte bekomme ich buchstäblich Gänsehaut. Jedenfalls hat Ihre kleine Maus keinen guten Start ins Leben gehabt. Aber gerade die ersten Lebenswochen sind so prägend. Umso verständlicher das große Misstrauen und die Unsicherheit. Von daher dürfen Sie Ihr Verhalten auch nicht mit den Erfahrungen Ihrer anderen zwei Hunde vergleichen.

Vertrauen ist das Wichtigste für Ginger

Positiv ist, dass Ginger sich bereits Zuhause und auch mit den adulten Hunden vertraut und sicherer fühlt. Arbeiten Sie bitte hier im häuslichen Umfeld weiter an Ihrer Mensch-Hund-Beziehung. Je mehr Ginger Ihnen vertraut und auch von Ihnen sicher geführt wird, umso mehr wird Sie mit Ihnen auch Draußen Neues meistern. Nur bitte, überfordern Sie sie nicht! Stellen Sie sich vor, welcher enormen Reizüberflutung Sie Ginger aussetzen. Besser ist, mit Ginger Draußen immer wieder die gleichen Wege mit gleichen Kontakten zu beschreiten. Und erst, wenn sie sich dort entspannt, erkunden Sie ein neues Revier. Dies kann erfahrungsgemäß einige Wochen dauern.

Auch unsichere Hunde brauchen Grenzen

Wichtig ist, dass Sie ihr aber auch Grenzen aufzeigen. Unerwünschtes Verhalten, wie beispielsweise Menschen anknurren muss mit einem Abbruchsignal belegt werden. Zeigen Sie Ginger, dass Sie alles regeln, egal was passiert. Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wie viel Zeit es brauchen wird. Mag sein ein Jahr oder länger?

Bezüglich der ausbleibenden Läufigkeit würde ich noch ein bis zwei Monate warten und dann einen Tierarzt zu Rate ziehen.

Ich hoffe, Sie haben die Geduld und helfen Ginger Schritt für Schritt die Welt zu erkunden und positiv zu erleben!

Alles Gute
Ihre Christine Holst

Wichtiger Hinweis: Diese Beiträge ersetzen nicht den Gang zu einer Hundeschule oder einer kompetenten Fachperson. Die Antworten sollten vielmehr als erste Ratschläge dienen, um die Entwicklung des Hundes in die richtige Bahn zu lenken.