Könnten bald bestimmte Antibiotika für den Einsatz in der Tiermedizin verboten sein? Dieses Thema versetzt momentan viele Tierfreunde und Veterinärmediziner:innen in Aufruhr. Hintergrundinfos findest du hier!

Im Mittelpunkt der Debatte steht die sogenannte „Tierarzneimittelverordnung 2019/6“, die 2019 neu verabschiedet wurde. Aber warum führt sie jetzt – 2021 – zu Aufregung und Verunsicherung? Nun, die Verordnung wurde zwar schon 2019 verabschiedet, in Kraft treten wird sie aber erst ab dem 28. Januar 2022. Vorher müssen aber noch wichtige Punkte geklärt und darüber abgestimmt werden. Im Fokus steht dabei die Verwendung von Antibiotika.

Update, 16. September 2021: Die Mitglieder des Europäischen Parlaments haben für den Entwurf der delegierten Verordnung der Kommission (DEA 2021/2718) über “Kriterien zur Identifizierung von antimikrobiellen Arzneimitteln, die für die Behandlung von Menschen vorbehalten sind” gestimmt. 

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Antibiotika-Resistenzen soll vorgebeugt werden
Welche Kriterien sollen gelten?
Wird die Verordnung überarbeitet?
Aber Ausnahmen sollen doch möglich sein?
Das Kontraargument des Parlament-Mitglieds

Antibiotika-Resistenzen soll vorgebeugt werden

Das Ziel: Die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika bei der Behandlung von Menschen soll möglichst lange erhalten werden. Der Hintergrund: Resistenzen von Erregern gegen diese Arzneimittel.

So schreibt etwa die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA (Zitat aus dem Englischen übersetzt): „Die Verwendung antimikrobieller Mittel bei Tieren kann zum Auftreten resistenter Bakterien beitragen, die über die Nahrungskette oder durch direkten Kontakt auf den Menschen übertragen werden können. Dies kann die Wirksamkeit antimikrobieller Mittel bei der Behandlung menschlicher Krankheiten verringern.“

Welche Kriterien sollen gelten?

Die Tierarzneimittelverordnung soll also dabei helfen, gegen die Entstehung und Verbreitung antimikrobieller Resistenz vorzugehen. Dazu sollen in Zukunft bestimmte Antibiotika dem Menschen vorbehalten sein. Welche das sind – und welche Kriterien dazu erfüllt sein müssen – steht aber noch nicht final fest.

Die Europäische Kommission hat eine sogenannte Delegierte Verordnung verfasst, welche die Verordnung ergänzen soll, indem sie Kriterien für die Bestimmung von antimikrobiellen Wirkstoffen liefert, die Menschen vorbehalten sein müssen. Die Kommission hat sich dafür von verschiedenen Stellen beraten lassen und auch Empfehlungen von Organisationen wie der WHO und der OIE (Weltorganisation für Tiergesundheit) berücksichtigt.

Wird die Verordnung überarbeitet?

Mit dieser Verordnung an sich haben diejenigen, die sich Sorgen um ein Verbot bestimmter antimikrobieller Wirkstoffklassen machen, kein Problem. Vielmehr sehen sie den Antrag eines EU-Parlament-Mitglieds vom 6. Juli 2021 kritisch, diese Verordnung zu überarbeiten. So äußert sich etwa die Bundestierärztekammer in einem Informationsschreiben an Tierhalter:innen:

„In diesem Antrag wird gefordert, den Entwurf dieser Verordnung so zu überarbeiten, dass die von der WHO ausschließlich an Gesichtspunkten für die menschliche Gesundheit als am allerwichtigsten eingestuften Antibiotika ausschließlich für die Verwendung beim Menschen reserviert werden. Darüber hinaus enthält der Antrag einen Vorschlag zur Änderung der übergeordneten Verordnung (EU) 2019/6, um Ausnahmeregelungen für die Einzeltierbehandlung zu ermöglichen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.“

Die Befürchtung von Organisationen wie der Bundestierärztekammer, dem Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) und auch des Deutsche Tierschutzbunds: Dass in der Tiermedizin bald bestimmte Arzneimittel nicht mehr verwendet werden dürften. Die Behandlung vieler Krankheiten von Tieren unterschiedlichster Arten wäre dann gar nicht mehr oder nicht mehr angemessen möglich. Der bpt hatte daher eine Kampagne gestartet, mit dem Ziel, bis zum 8. September 500.000 Unterschriften zu sammeln.

Aber Ausnahmen sollen doch möglich sein?

Der Änderungsantrag des EU-Parlamentsabgeordneten sieht, wie oben beschrieben, zwar auch Ausnahmen dafür vor, dass Einzeltiere behandelt werden können sollten. Wie aber unter anderem BR24 berichtet, bietet die Tierarzneimittelverordnung „bis jetzt keine Möglichkeit, zwischen Massenvergabe an ganze Bestände und Einzelbehandlungen von kranken Tieren zu unterscheiden.“

Dazu wäre es nötig, den Gesetzestext für die Verordnung anzupassen. Das wäre möglich, könnte aber zu lange dauern, schließlich müssten alle EU-Mitgliedsstaaten mit dem neuen Entwurf auseinandersetzen. Wir erinnern uns: Die Tierarzneimittelverordnung soll schon am 28. Januar 2022 in Kraft treten.

Mitte September wird das EU-Parlament über den Antrag zur Änderung der Delegierten Verordnung entscheiden. Der EU-Parlamentsausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) hat den Antrag bereits angenommen.

Das Kontraargument des Parlament-Mitglieds

In einem offenen Brief wandte sich das Mitglied des EU-Parlaments, Martin Häusling, an den bpt. Er schreibt darin, dass eine „konsequente Regulierung beim Einsatz von Reserveantibiotika in der Tiermast (!), und zwar in der Massentierhaltung (!)“ gefordert werde. Weder die Behandlung von Einzelzieren sei betroffen und erst recht nicht die von Haustieren.

Der Zweck der Verordnung

Was mit der Verordnung beabsichtigt wird, ist auf EUR-Lex nachzulesen. Dieses Online-Portal bietet Zugang zu Rechtsdokumenten der EU und wird vom Amt für Veröffentlichungen der EU betrieben.

Laut EUR-Lex soll die Verordnung (EU) 2019/6 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/82/EG „die Regeln für den Verkauf, die Herstellung, Einfuhr, Ausfuhr, Lieferung, den Vertrieb, die Kontrolle und die Verwendung von Tierarzneimitteln (TAM)“ festlegen.

Es werden 3 Ziele genannt: Zum einen soll die Gesetzgebung modernisiert werden. Zum anderen soll ein Anreiz für Innovationen bei den Tierarzneimitteln geboten und deren Verfügbarkeit gesteigert werden. Als drittes Ziel steht dort, dass die Kampagne der EU gegen antimikrobielle Resistenz gestärkt werden soll.

Der letzte Punkt steht unter anderem in Verbindung mit Verboten
„der Präventivverwendung von Antibiotika in Tiergruppen“
und
„der Präventivverwendung antimikrobieller Wirkstoffe mittels Arzneifuttermittel“
sowie
„Beschränkungen in Zusammenhang mit der Verwendung antimikrobieller Wirkstoffe als eine Kontrollmaßnahme, um eine weitere Infektionsübertragung zu verhindern“
und der
„Möglichkeit, bestimmte antimikrobielle Wirkstoffe nur den Menschen vorzubehalten“

Die Verordnung gehört zu einem Paket an Gesetzen, in denen es darum geht, die Gesundheit von Mensch und Tier zu verbessern.