Stürzen wir uns gemeinsam in ein wahnsinnig spannendes – und vielschichtiges – Thema, das uns verspricht, viele Erkenntnisse darüber zu bekommen, warum sich unsere Hunde im Alltag wie verhalten.

Rezension und Text: Lena Schwarz

Der Button auf dem Cover von Robert Mehls 2021 im Kosmos Verlag erschienenen Schmöker verkündet, dass darin komplexe Zusammenhänge anschaulich erklärt werden. Und komplex kann es schon mal werden, wenn es um Neurophysiologie geht, um die Prozesse im Gehirn, und wie diese das Verhalten steuern. Schließlich werden eher wenige Leser:innen bereits ein ausgeprägtes Hintergrundwissen in diesem Bereich mitbringen – wir übrigens auch nicht. Wenn du wissen willst, ob das Buch hält, was der Button verspricht, lies weiter!

Gehirn: Die nötigen Grundlagen

Das Inhaltsverzeichnis lässt Gutes hoffen, denn die Aufteilung erscheint logisch und verständlich. Darüber hinaus wecken Fragen wie „Wie gelangt ein Duftstoff ins Gehirn?“ und „Wie wird aus einem Reiz ein Gefühl?“ Interesse und zeigen die Verbindungen zu alltäglichem Verhalten auf – die Auswirkungen, die jeder von uns täglich erlebt. Um diese besser zu verstehen, lesen wir das Buch ja schließlich.

Genau weil das Thema sehr komplex werden kann, je tiefer wir gehen, steigt Robert Mehl mit dem notwendigen Grundlagenwissen ein: Der Autor erklärt wichtige Strukturen im Körper und wie diese zusammenhängen. Auch die physikalischen und chemischen Grundlagen sind dabei: So verständlich erläutert, dass auch diejenigen, die mit einem oder beiden Fächern zu Schulzeiten eher weniger bis gar nichts anfangen konnten, noch mitkommen. Man muss aber schon dranbleiben wollen, da eher wenig “Hund” zu finden ist, dafür umso mehr “Theorie” über Strukturen und Zusammenhänge.

Im ersten Kapitel bringt Mehl gleich 2 Vergleiche an, die unterschiedlicher zwar kaum sein könnten, aber recht anschaulich verdeutlichen, dass es im Gehirn um die Verbindungen verschiedener Teile geht:

„Ähnlich wie Instrumente in einem Orchester zusammenarbeiten, um eine Sinfonie erklingen zu lassen, bringt das harmonische Zusammenspiel der Hirnteile Erleben und Verhalten hervor. […] Ein bisschen ist das wie eine Seifenoper. Wir versuchen zu verstehen, wer mit wem in welchem Verhältnis steht und wie sich alle gegenseitig manipulieren.“

Am besten in ruhiger Umgebung lesen

Alltagsnahe Vergleiche mit Hinblick auf Form und Funktion ziehen sich durch die Erklärungen, vom zerknüllten Papiertaschentuch über einen Autobahnkreuz zu 2 Papageien auf den Schultern. Das hilft dabei, Ankerpunkte in den Sachverhalten und lateinischen Bezeichnungen zu setzen und lockert das Ganze etwas auf. So verständlich der Autor die Thematik auch vermittelt, es sind dennoch ein gehöriges Maß an Aufmerksamkeit und eine ruhige Umgebung nötig, um zu folgen.

Grafische Veranschaulichungen

Abbildungen helfen dabei, sich die angesprochenen Areale im Körper und deren Verortung besser vor Augen führen zu können. Spannend ist dabei auch der Vergleich eines hündischen und eines menschlichen Gehirns. Für mehr Übersichtlichkeit sind alle Zeichnungen in einem Kapitel in der Buchmitte aufgeführt. Das bedeutet, dass wir blättern müssen, aber immer an die gleiche Stelle. Und da die entsprechenden Seiten grau gekennzeichnet sind, finden wir sie schnell. Um noch schneller hinzugelangen, hilft es, zusätzlich ein Post-it im Buch zu platzieren. Wer nur ungern blättert, wird die Grafiken an den Stellen im Text, an denen auf sie eingegangen wird, aber wahrscheinlich etwas vermissen. Eine nützliche Obendreingabe für Gern-Blätterer ist das Register am Buchende, mit dem sich nach einzelnen Begriffen suchen lässt.

Das kaum Begreifbare fassen

Mehl gelingt es, auch Sachverhalte, die sich jedes Verständnisses entziehen möchten, in Worte einzufangen, die zumindest erahnen lassen, in welchen Dimensionen wir allein zahlentechnisch unterwegs sind. Nehmen wir als Beispiel die Anzahl der Nervenzellen: Von diesen haben wir Menschen so viele, wie es Sterne in unserer Galaxie gibt. Allein das lässt erahnen, dass wir zwar verstehen können, wie was im Kopf und Körper von Mensch und Hund funktioniert. Der tatsächliche Umfang aller daran beteiligter Einzelteilchen übersteigt unseren Vorstellungshorizont aber bei Weitem. Das demotiviert aber nicht, sondern weckt vielmehr Interesse an diesem Wunderwerk der Natur, das bei uns unterschiedlichen Säugetieren ähnlich aufgebaut ist.

Sehr viele spannende Sachverhalte sind in diesem Buch zu finden. Uns Leser:innen verlangt es aber Einiges ab, auch wenn die Erklärungen möglichst bodenständig-verständlich gelungen sind. Was nach Meinung dieser Rezensentin etwas kurz gerät, ist der Praxisbezug. So wird “Die Psyche erklärt: Wie Prozesse im Gehirn das Verhalten steuern”, eher Lesestoff für diejenigen sein, die sich professionell mit Hunden auseinandersetzen. Wer insbesondere Tipps oder Anleitungen für den Alltag erwartet, wird diese hier eher nicht finden. Wenn du die Komplexität des Körpers, insbesondere des Gehirns und Nervensystems, kennenlernen und verstehen magst (und in der Schule Bio vielleicht eh immer spannend gefunden hast), solltest du einen Blick wagen.

Infos zum Buch:
Hardcover: 256 Seiten
Verlag: Franckh-Kosmos Verlag, 2021
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-440-16701-4
Größe: 220 x 142x 27 mm (LxBxH)

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