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Manche Hunde wollen alles fressen, was sie finden – auch wenn es keinen Nährwert hat. Das können z. B. Gegenstände wie Steine, Holz oder Textilien sein. Der Namen dafür: Pica, bzw. Pica-Syndrom. Erfahre hier von den Tierärzten Dr. Pasquale Piturru und Ann Christin Petzak (Tierklinik Quickborn) mehr über dieses problematische Verhalten!
„Pica“ bezeichnet einen Zwang, Dinge zu fressen, die nicht nahrhaft sind. Der medizinische Begriff für diese Essstörung, die auch bei uns Menschen vorkommt, stammt vom lateinischen Wort für Elster (Pica pica). Dieser Vogel sammelt der Legende nach unaufhörlich Gegenstände, um seine Neugier zu befriedigen. Hunde mit Pica zeigen ungewöhnliches Fressverhalten und nehmen z. B. Steine, Plastik, Holz oder Textilien auf. Das kann zu gesundheitlichen Problemen führen.
Zu unterscheiden ist das Pica-Syndrom vom Verhalten zahnender Welpen, die auf Gegenständen herumkauen, um Beschwerden beim Zahnen zu lindern. Während es für Welpen bis zu einem gewissen Grad normal ist, Gegenstände mit dem Maul zu erkunden, handelt es sich bei Pica um eine ernsthafte Verhaltensstörung, die vor allem bei erwachsenen Hunden zu beobachten ist. Das Verhalten kann sich in unterschiedlicher Intensität äußern – von gelegentlichem Kauen an nicht fressbaren Objekten bis hin zum regelmäßigem Verzehr gefährlicher Gegenstände.
Mögliche Ursachen von Pica
Die Gründe, warum Hunde an Pica leiden, sind vielfältig und können physischer oder psychischer Natur sein. Das Syndrom kann mit bestimmten Erkrankungen wie z. B. Magenparasiten, Sichelzellenanämie oder Eisenmangel, genetischen Störungen und psychischen Erkrankungen wie Zwangsstörungen in Verbindung stehen. Zu den häufigsten Ursachen gehören:
- Ernährungsmängel: Ein Mangel an bestimmten Mineralstoffen oder Vitaminen kann dazu führen, dass Hunde ungewöhnliche Dinge fressen. Fehlen dem Körper beispielsweise Eisen oder bestimmte Spurenelemente, versuchen manche Hunde, das so zu kompensieren.
- Langeweile oder Stress: Häufig kommt Pica bei Hunden vor, die unter Stress stehen oder zu wenig ausgelastet sind. Fehlen geistige und körperliche Anreize, kann das zwanghafte Fressen von Nicht-Nahrungsmitteln eine Art von Ersatzbeschäftigung darstellen. Lernt ein Hund, dass er Aufmerksamkeit bekommt, wenn er etwas frisst, was er nicht fressen sollte, kann sich das Problem noch verstärken.
- Angst und Verhaltensstörungen: Ängstliche Hunde oder Tiere, die sich in einer unsicheren Umgebung befinden, zeigen manchmal eine Neigung zu zwanghaftem Verhalten. Pica kann dabei eine Bewältigungsstrategie für Stress und Ängste sein.
- Medizinische Probleme: Magen-Darm-Erkrankungen, Diabetes oder hormonelle Störungen können Pica begünstigen. Ein Besuch beim Tierarzt ist sinnvoll, um körperliche Ursachen auszuschließen.
Es ist wichtig, genau zu beobachten, was und wie viel der Hund frisst, da bestimmte Gegenstände wie Glas, Metall oder Kunststoff zu schweren inneren Verletzungen führen können.
Hinweise, dass ein Hund betroffen ist
Zu den Symptomen, die auf Pica hindeuten, gehören:
- Häufiges Kauen oder Schlucken fremder Objekte
- Verhaltensänderungen wie Unruhe oder nervöses Umherlaufen
- Magen-Darm-Beschwerden wie Erbrechen oder Verstopfung
- Verminderter Appetit oder Schluckbeschwerden
Die Risiken sind erheblich: Verschluckte Fremdkörper können Verdauungsstörungen, Magen-Darm-Verstopfungen oder innere Verletzungen verursachen, die im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sind. Hat der Hund große oder scharfkantige Objekte verschluckt, wird eine Operation notwendig.
So wird Pica diagnostiziert
Die Diagnose erfolgt durch eine gründliche Untersuchung. Dabei klärt der Tierarzt oder die Tierärztin zunächst, wie oft und in welchen Situationen das Verhalten auftritt. Zudem können diagnostische Maßnahmen wie z. B. Bluttests notwendig sein. Sie dienen der Überprüfung von Nährstoffmängeln oder hormonellen Problemen. Mit Röntgenaufnahmen oder Ultraschall lässt sich feststellen, ob Fremdkörper im Magen-Darm-Trakt vorhanden sind. Kotproben dienen zur Überprüfung auf Parasiten, da Wurmbefall ebenfalls Pica auslösen kann.
Die Behandlung
Wie der Tierarzt oder die Tierärztin Pica behandelt, hängt von der Ursache ab. In vielen Fällen ist ein kombinierter Ansatz aus medizinischer Versorgung und Verhaltensänderung notwendig:
- Medizinische Versorgung: Sind gesundheitliche Probleme die Ursache, können Medikamente helfen. Schwere Fälle erfordern ggf. eine Operation. In einigen Fällen kann der Einsatz von Antidepressiva oder angstlösenden Medikamenten helfen, das Pica-Verhalten zu kontrollieren. Sie sollten nur unter strenger tierärztlicher Aufsicht verabreicht werden.
- Umgebungsanpassung: Spielen Langeweile oder Stress eine Rolle, ist eine Umgestaltung der Lebensumgebung sinnvoll. Zusätzliche Spielsachen, regelmäßige Spaziergänge und geistige Beschäftigung, wie das Trainieren von Tricks oder Suchspiele, helfen, die Aufmerksamkeit des Hundes auf andere Aktivitäten zu lenken.
- Ernährungsanpassung: Ist Pica auf Ernährungsmängel zurückzuführen, hilft eine gezielte Anpassung. Ein hochwertiges Futter mit ausgewogenen Nährstoffen und ggf. die Supplementierung fehlender Vitamine oder Mineralstoffe sind wichtig. Zink- und Eisenmangel stehen im Zusammenhang mit Pica-Verhalten. Frisst ein Hund deshalb ungeeignete Dinge, muss der Tierarzt eine Krankheit ausschließen, die den Mangel verursacht. Eine Studie an Ratten hat gezeigt, dass Antioxidantien wie Glutathion, Vitamin C und Vitamin E helfen können, Pica zu reduzieren. Die Gabe von Verdauungsenzymen kann auch dazu beitragen, dass ein Hund Nährstoffe besser aufnimmt.
- Verhaltensänderung und Training: Training zur Verhaltensänderung kann hilfreich sein, um das zwanghafte Fressen zu reduzieren. Hundetrainer:innen oder Verhaltenstherapeuten können Techniken wie das Erlernen von Ersatzverhalten und das Einführen von Verboten vermitteln.
- Entspannungsmethoden: Hunden, die unter Angst oder Stress leiden, können Entspannungsmethoden wie Massagen oder Aromatherapie helfen.
Ist Vorbeugen möglich?
Pica lässt sich oft verhindern, indem der Hund sich ausreichend geistig und körperlich beschäftigen darf und eine ausgewogene Ernährung erhält. Regelmäßige Tierarztbesuche zur Früherkennung von Nährstoffmängeln oder Krankheiten sind ebenfalls wichtig. Zudem ist es sinnvoll, gefährliche Objekte außer Reichweite zu halten und dem Hund sichere Kauspielzeuge zu geben. Zeigt er Anzeichen von Langeweile oder Stress, können kleine Verhaltensänderungen im Alltag helfen, sein Wohlbefinden zu verbessern und das Risiko von Pica zu minimieren. Bei Verdauungsproblemen, die zu Pica führen, können einige Hunde von Probiotika profitieren. Sie versorgen den Darm mit lebenden Stämmen nützlicher Mikroben.
Fazit
Pica ist eine ernsthafte Verhaltensstörung, die verschiedene Ursachen haben kann und eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit darstellt. Eine Kombination aus tierärztlicher Behandlung und gezielten Trainingsmethoden kann dabei helfen, das Verhalten zu ändern und das Risiko gesundheitlicher Komplikationen zu reduzieren. Hundehaltende sollten frühzeitig handeln und professionelle Unterstützung suchen, wenn ihr Hund ungewöhnliches Fressverhalten zeigt. So lässt sich Pica effektiv behandeln und die Lebensqualität des Hundes nachhaltig verbessern.