Ein Experte hat eindrucksvoll bewiesen, dass Zecken auch in der Stadt – bzw. im Stadtpark – in großen Mengen auftreten können. Untersuchungen zeigten zudem, dass die Blutsauger alle für Mensch und Hund potenziell gefährlichen Erreger übertragen. 

Anfang Oktober wurde die DER HUND Redaktion zu einem Presse-Event von MSD Tiergesundheit eingeladen. Das Thema: Zecken! „Damit kennen wir uns schon gut aus“, dachten sich die Redakteurinnen Susanne Steiger und Lena Schwarz. Dir ging es vielleicht gerade ähnlich. Doch eines machte uns neugierig:

Im Mittelpunkt standen Ergebnisse von Zecken-Sammelaktionen im Nymphenburger Schlosspark, also mitten in der Großstadt München. Zudem wurde ein Experte angekündigt, den Lena bereits seit 2021 jedes Jahr für Artikel in DER HUND zum Thema Zecken interviewt: Prof. Dr. Gerhard Dobler ist Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsimmunologie und leitet die Abteilung für Virologie und Rickettsiologie am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München (www.instmikrobiobw.de). Er ist außerdem der Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für FSME. Seit vielen Jahren sammelt und untersucht er Zecken. Während sein Schwerpunkt auf der FSME liegt, ist seine Frau, Dr. Lidia Chitimia-Dobler, eine weltweit gefragte Zeckenexpertin. Sie war ebenfalls an den Aktionen beteiligt, die zu den Zahlen führten, welche auf der Veranstaltung vorgestellt wurden.

Hohe Zeckenzahlen in der Stadt

MSD hat die beiden Fachleute dabei begleitet, wie sie im Nymphenburger Park auf „Zeckenjagd“ gingen (das ist im DER HUND Club auch im Video zu sehen). Sie streiften dazu mit einem hellen Tuch durch den Park. Zecken warten an der Bodenvegetation darauf, dass ein Wirt vorbeikommt. Auf diesen lassen sie sich abstreifen. Auf die gleiche Weise landeten sie auf dem Tuch.

In nur 15 Minuten sammelten die Forscher 214 aktive Zecken – 28 erwachsene Exemplare und 186 Nymphen. Hätten sie wie üblich eine Stunde lang gesammelt, hätte die Zahl auf rund 500 Zecken steigen können, ist sich Prof. Dobler sicher. Erschreckend sind auch die Untersuchungsergebnisse von 234 Zecken, die bereits Ende August im Park gesammelt worden waren:

Prof. Dr. Gerhard Dobler sammelt mithilfe eines hellen Tuchs Zecken im Nymphenburger Park.

Die Gruppe brachte es gemeinsam auf alle Erreger, die bei Mensch und Hund Krankheiten auslösen können: unter anderem Borrelien (jede 10. Zecke), Anaplasmen (5 %), Rickettsien, das FSME-Virus sowie die Bakterien, die Tularämie (Hasenpest) auslösen.

Prof. Dobler und seine Kollegen untersuchen in Haselmühl (Oberpfalz) seit 15 Jahren monatlich Zecken – der Ort gilt als der am besten untersuchteste FSME-Herd weltweit. Sie haben daher auch einen guten Überblick darüber, wie es um die Größe der Zeckenpopulation steht. Wie der Experte zeigte, war die Zeckendichte im Nymphenburger Park regelmäßig 2- bis 3-Mal höher als in Haselmühl. Im August war die Menge sogar 4- 5-Mal so hoch!

„Eingeschlepptes“ Virus

Den Experten ist es in den vergangenen Jahren 3-mal gelungen, das FSME-Virus in Zecken aus dem Nymphenburger Park nachzuweisen. Genetische Untersuchungen zeigten, dass es jedes Mal unterschiedliche Erreger waren – also nie genau das gleiche FSME-Virus. „Wir können davon ausgehen, dass dieses Virus hier nicht originär vorkommt, sondern dass es eingeschleppt wird“, schließt Prof. Dobler aus den Daten. Und wer ist verantwortlich dafür? Wahrscheinlich Hunde – bzw. Zecken, die an ihnen in den Park gelangen und dort abfallen. Das Virus zirkuliert bisher im Nymphenburger Park zwar nicht, es ist aber bereits zu Fällen von FSME bei Menschen gekommen, die bis in den Park zurückverfolgt werden konnten. Wer Pech hat, gerät eben genau an die falsche Zecke.

Generell lässt sich zur FSME sagen, dass sich die ersten Meldungen eines Jahres und auch die Aktivität der Zecken, über die vergangenen 20 Jahre in Deutschland um insgesamt 3 Wochen nach vorn verschoben hat.

Die Stadt als „Zeckenparadies“?

Zecken wie der Gemeine Holzbock, eine der in Deutschland „typischen“ Zecken, mögen es gern warm und feucht. Bei Trockenheit und sehr niedrigen Temperaturen ist er (eher) nicht aktiv. In einem Stadtpark findet er fast das ganze Jahr über gute Verhältnisse vor: „In der Stadt ist es tendenziell wärmer als in ländlichen Regionen. Das macht schon mal 1-2 Grad Unterschied. In diesem Mikroklima fühlen sich Zecken noch wohler,“ sagt Prof. Dobler.

Prof. Dr. Gerhard Dobler und Dr. Lidia Chitimia-Dobler beim Zeckensammeln.

Wenn sich das Klima weiter erwärmt, wird mit Bedingungen, wie sie jetzt bereits in Stadtparks wie dem in München herrschen, in fast ganz Deutschland zu rechnen sein. Das wird den Zecken entgegenkommen – und leider damit auch den Erregern, die sie an Bord haben. Ähnliches gilt übrigens auch für andere Länder im globalen Norden. „Es ist eine stille Pandemie, die sich abspielt, aber die niemand so wirklich wahrnimmt“, sagt Prof. Dobler mit Blick auf Zecken und die ihnen (nicht) geschenkte Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit.

Eine sich hierzulande zunehmend ausbreitende Zecke ist die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus). Sie liebt quasi den Winter und wird bereits bei Temperaturen um 4° Celsius aktiv – von September bis in den März. Dann verschwindet sie, aber der Gemeine Holzbock erhält quasi dann den Staffelstab. So kommt es dazu, dass insbesondere in milden Wintern fast ganzjährig Zecken eine Gefahr für Mensch und Tier darstellen. Problematisch ist an der Auwaldzecke insbesondere, dass sie die parasitisch lebenden Einzeller übertragen kann, die canine Babesiose auslösen (ebenso wie die Braune Hundezecke).

Der Nymphenburger Park könne als Modell für andere Stadtparks in Deutschland dienen – nicht nur Münchner sollten daher aufmerksam sein.

Die Mahnung der Tierärztin

Auf dem Informationsevent sprach die aus TV und Sozialen Medien bekannte Fachtierärztin Dr. Tanja Pollmüller (Instagram: @doc.polly) über die auch als Hundemalaria bekannte Erkrankung: „Babesiose führt bei Hunden unbehandelt zumeist innerhalb kurzer Zeit zum Tod. Ähnlich wie bei der Malaria werden die roten Blutkörperchen zerstört.“  Um betroffene Hunde zu retten, sei eine tierärztliche Behandlung unerlässlich. „Diese ist für die Hunde zumeist hochstrapaziös und für Hundehalter vergleichsweise teuer. Und selbst dann können schwere, perakute Verlaufsformen von Babesiose für Hunde tödlich enden.“

Anzeichen von Babesiose

Je früher das Problem erkannt wird, desto besser. Ein Symptom der Babesiose ist Fieber. Hunde haben eine etwas höhere Körpertemperatur als wir Menschen; Fieber beginnt bei ihnen bei 39° Celsius. „Mit Stress und Aufregung bei Jungtieren sind es sogar 39,3 bis 39,5 Grad“, sagt Dr. Pollmüller. Wer selbst bei seinem Hund Fieber misst, soll das Thermometer „mit schön viel Flutsch“ 2 bis 3 Zentimeter in den Anus einführen, um korrekte Messergebnisse zu erhalten. Die Erkrankung kann sich darüber hinaus in starkem Durst, Appetitlosigkeit, Mattigkeit, Konditions- und Gewichtsverlust äußern. Aufgrund der Zerstörung der roten Blutkörperchen kommt es auch zu Blutarmut und Gelbsucht (im fortgeschrittenen Stadium). Es gibt ein Medikament, dass gegen Babesiose gespritzt werden kann. Eine möglichst frühe Behandlung ist wichtig. Bis es wirkt und die Einzeller abtötet, muss je nachdem, wie lange der Hund schon betroffen ist, eine Bluttransfusion vorgenommen werden – eine (kosten)intensive Therapie.

Eine Zecke ist in einem Sammelbehälter zu sehen.

Angemessene Prävention

Die Tierärztin betonte, wie wichtig es ist, sich ausführlich zu informieren und eine:n gute:n Tierarzt zu Rate zu ziehen, um seinen Hund gut vor Zecken zu schützen. Sie entferne von Januar bis Dezember Zecken von Hunden – auch die Erfahrung aus der Tierarztpraxis zeige, dass es keine „Zeckensaison“ und Monate, in denen Zecken gar nicht vorkommen, (mehr) gebe. Dr. Pollmüller rät dazu, individuell abzusprechen, welche Präventionsmaßnahmen sich für den Lebensstil und das jeweilige Tier eignen.

Sie betont, dass die Mittel, die über die Tierarztpraxis erhältlich sind, auf ihre Wirksam- sowie Verträglichkeit überprüft und zugelassen wurden. Maßnahmen wie etwa den Hund mit Kokosöl einzureiben, lieferten keinen ausreichenden Schutz. Eine Studie, die eine angebliche Wirksamkeit zeigte, ließen sich nicht auf den Alltag übertragen. Dafür sei ein Nährboden mit Kokosöl getränkt worden; solche Mengen könnten am Hund nie erreicht werden. Regelmäßige Kontrollen und Absammeln von Zecken eignen sich als ergänzende Maßnahme, reichen allein als Schutz jedoch nicht aus.

Kurzer Exkurs: Tularämie

Die Tularämie (Hasenpest) ist trotz ihres Namens auch eine Gefahr für uns Menschen. Ausgelöst wird sie durch Stäbchenbakterien (Francisella tularensis). Diese gelangen über den Stich einer Zecke in den Körper. Im Vergleich zur FSME ist sie noch weniger bekannt, aber die Zahl der Erkrankungsfälle steigt seit Jahren an. Lag sie 2010 noch bei 31, waren es 2023 deutschlandweit 100 (Quelle: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit).

Sie kann in einer schweren Verlaufsform die Lunge betreffen und eine schwere Lungenentzündung hervorrufen. Zunächst löst sie grippeartige Symptome aus und an der Stelle, wo die Zecke gestochen hat, kommt es zu einer dunklen, geschwürig zerfallenden Papel. Die Lymphknoten in der Region schwellen stark an, können vereitern und sogar aufplatzen. Klingt unangenehm – und ist es auch. Noch ein Grund, für Zeckenschutz zu sorgen und Zeit in der Natur – und im Park – mit gesundem Menschenverstand zu genießen.