Der Ethologe Prof. Dr. Ádám Miklósi bringt uns in seinen Beiträgen Studien aus der ganzen Welt rund um Hunde und ihr Verhalten näher. Hier geht es um den Zusammenhang von sozialer Ängstlichkeit bei Familienhunden mit den verschiedensten Faktoren, die wir teils selbst beeinflussen können.

Problematische Verhaltensweisen sind schwerwiegende Tierschutzprobleme bei Familienhunden. Ängstlichkeit bei Hunden kann in 2 Kategorien unterteilt werden: soziale und nicht-soziale Ängstlichkeit. Die erstere, welche die Angst vor Artgenossen oder unbekannten Personen umfasst, ist eines der häufigsten Verhaltensprobleme, die bei Hunden Stress verursachen. Die Häufigkeit von Ängstlichkeit reicht von 26,2 bis 44 %, wobei 10 bis 19 % der Hunde Angst vor Fremden oder anderen Hunden zeigen.

Ein besseres Verständnis dafür, wie genetische und Umweltfaktoren zusam­menwirken, um Verhaltensprobleme zu verursachen, kann uns helfen, diese Probleme effektiver zu erkennen, zu managen und zu verhindern.

Die Methode

Die Studie, um die es hier geht, hatte zum Ziel, die demografischen und umweltbedingten Faktoren zu untersuchen, die mit sozialer Ängstlichkeit bei finnischen Familienhunden verbunden sind. Um diese Faktoren zu identifizieren, befragten Jenni Puurunen und ihre Kollegen (2020) finnische Besitzer von 6.000 Familienhunden zu ihren Erfahrun­gen mit angstrelevantem Verhalten bei ihren Hunden.

Wichtige Ergebnisse

Soziale Ängstlichkeit war mit mehreren Faktoren verbunden, darunter:

  • städtische Umgebungen
  • mangelnde Sozialisierung während der Welpenzeit
  • seltene Teilnahme an Trainings und anderen Aktivitäten
  • kleine Körpergröße
  • weibliches Geschlecht
  • bestimmte Rassen
  • Kastration

Allgemein waren kleine Hunde im Vergleich zu mittelgroßen und großen häufiger ängstlich, und mittelgroße Hunde waren ängstlicher als große. Chihuahua, Shetland Sheepdog und Spanischer Wasserhund waren die ängstlichsten Rassen, während der Pembroke Welsh Corgi, Cairn Terrier und Wheaten Terrier am wenigsten ängstlich waren. Das stimmt mit den Ergebnissen anderer Forscher überein.

Jüngere Hunde im Alter von 2 bis 8 Jahren hatten die höchste Wahrscheinlichkeit, ängstlich zu sein, aber diese Wahrscheinlichkeit nahm nach 8 Jahren ab. Unkastrierte Hunde waren weniger ängstlich als kastrierte Tiere beiderlei Geschlechts. Unkastrierte Rüden zeigten weniger Angst vor anderen Hunden im Vergleich zu unkastrierten Hündinnen, aber es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen kastrierten Rüden und Hündinnen. Hunde, die in städtischen Umgebungen leben, seltener an Aktivitäten und Trainings teilnehmen und weniger tägliche Bewegung bekommen, hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, Angst vor anderen Hunden zu haben. Hunde, die selten oder nie an Aktivitäten teilnahmen, waren ängstlicher als solche, die gelegentlich trainierten. Hunde, die weniger als eine Stunde pro Tag trainierten, waren ängstlicher als solche, die mehr als 3 Stunden trainierten.

Was haben wir gelernt?

Diese Ergebnisse heben hervor, dass unzureichende Sozialisierung, Inaktivität und städtisches Leben wichtige Umweltfaktoren bei der Entwicklung von angstrelevanten Verhaltensproblemen bei Hunden sind.

Dieses Problem könnte zunehmen, da die Zahl der kleineren Hunde wächst. Diese Hunde erleben möglicherweise oft Angst, und das könnte erklären, warum sie oft defensive aggressive Verhaltensweisen gegenüber herannahenden Hunden oder Menschen (einschließlich Kindern) zeigen. Einige rassespezifische Effekte hängen mit der Größe und rassespezifischen Sozialisierung zusammen, aber genetische Faktoren können ebenfalls eine Rolle spielen. Verbesserungen im Management und in den Zuchtpraktiken könnten daher das Wohlbefinden der Hunde verbessern.

Zum Weiterdenken

Die Häufigkeit von sozialer Ängstlichkeit kann je nach Rasse und Land aufgrund unterschiedlicher Zuchtpraktiken und Sozialisierungstrends variieren. Besitzer von potenziell ängstlicheren Rassen (z. B. Chihuahua, Shetland Sheepdog) sollten sich auf eine frühe, sanfte Exposition gegenüber verschiedenen sozialen Reizen (z. B. andere Hunde, junge und erwachsene Menschen) konzentrieren und Welpenkurse in Betracht ziehen.

Es ist wichtig, zu beachten, dass „Rasse“ möglicherweise auch Sozialisierungspraktiken als genetische Unter­schiede widerspiegelt. So erhalten etwa Zwerghunderassen möglicherweise nicht die gleichen sozialen Erfahrungen wie Gebrauchshunderassen.

Die Studie, auf die sich der Beitrag bezieht: Puurunen, J., Hakanen, E, Salonen, M.K., Sala, M., Sulkama, S., Araujo, C., Lohi, H (2020) Inadequate socialisation, inactivity, and urban living environment are associated with social fearfulness in pet dogs Scientific Report 10:352; https://doi.org/10.1038/s41598-020-60546-w