Wer haftet, wenn bei einer Beißerei die beteiligten Hunde, deren Halter oder sogar Dritte Schaden nehmen? Pauschal lässt sich das nicht beantworten, denn die Haftungsverteilung muss im Einzelfall geprüft werden. Rechtsanwalt Thomas Doeser erläutert an Beispielen, worauf es dabei ankommt.
Wer haftet wann?
Aktuelles Urteil des BGH
Ein Urteil nach einer Hundebalgerei
Der konkrete Fall
Fazit: Abwägung im Einzelfall
Wer haftet wann?
Grundsätzlich haftet der Halter für die von seinem Hund ausgehende Tiergefahr gemäß § 833 BGB. Dabei ist zu prüfen, ob diese Tiergefahr von selbstständigem und unberechenbarem Verhalten des Hundes ausgeht und ein Schaden gerade auf dieses unberechenbare tierische Verhalten zurückzuführen ist. Das gilt auch dann, wenn ein Hund unter menschlicher Kontrolle steht. Die Beweislast für die Ursache eines so verursachten Schadens trägt dabei der Geschädigte. So ist im Falle eines Hundegerangels mit Bissfolgen an Hunden, eventuell deren Haltern und/oder Dritten in jedem Einzelfall eine etwaige Haftungsverteilung zu prüfen. Einfach den Schaden, den beide Hunde eventuell verursacht haben, hälftig zu teilen, greift häufig nicht.
Die Rechtsprechung hat sich häufig mit Fällen frei laufender Hunde zu befassen, bei deren Begegnung es zu aggressivem Verhalten eines oder beider Hunde kam. So hat z. B. das LG Aachen (Az 4 O 15/98) nach genauer Prüfung des Ablaufs eine mitwirkende Tiergefahr eines der beteiligten Hunde verneint und nur einen der beteiligten Hundehalter in die Haftung genommen.
Eingreifen in die Beißerei?
Auch sollte man als Hundehalter bei solchen Hunderangeleien bedenken, dass man sich bei einem Eingreifen in eine Beißerei selbst gefährdet. Die Rechtsprechung stuft das als grob fahrlässiges Handeln ein, sodass ein etwaiger Schadenersatzanspruch gegen den anderen Hundehalter verwirkt ist.
Das gilt auch für den Fall, dass einem geschädigten Hundehalter der begründete Vorwurf gemacht werden kann, seinen Hund nicht angemessen beaufsichtigt zu haben – erst recht, wenn ein Hund bereits durch aggressives Verhalten auffällig geworden ist und der Halter damit zu erheblich gesteigerten Sorgfaltspflichten gezwungen ist, etwa Maulkorb- und Leinenzwang. Verstöße dagegen können auch strafrechtliche Folgen haben, z. B. wegen fahrlässiger Körperverletzung durch einen solch aggressiven Hund.
Auch kann die Größe und/oder Rasse eines beteiligten Hundes die Haftungsverteilung beeinflussen, wenn das Gericht etwa feststellt, dass eine erhöhte Tiergefahr nur von dem größeren und/oder stärkeren Hund ausging und die Tiergefahr des kleineren Hundes demgegenüber nicht ins Gewicht fällt. Das gilt auch in Fällen, in denen ein größerer Hund ohne vorherige Anzeichen über einen kleineren Hund herfällt und diesen unprovoziert attackiert.
Aktuelles Urteil des BGH
Ein Urteil nach einer Hundebalgerei
Nach einer Hundebalgerei hat der Bundesgerichtshof folgendes Urteil gefällt (BGH VI ZR465/15 v. 31.5.2016):
Kommt es zu einem Gerangel zwischen zwei Hunden, in dessen Rahmen der Halter des einen Hundes von dem anderen Hund gebissen wird, so ist die typische Tiergefahr des Hundes des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden. Dies muss sich der Geschädigte entsprechend § 254 Abs. 1, § 833 Satz 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB anrechnen lassen. Eine Anspruchsminderung wegen mitwirkender Tiergefahr ist allerdings dem Sinngehalt des § 840 Abs. 3 BGB entsprechend ausgeschlossen, wenn der Halter des schädigenden Hundes dem Geschädigten auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Der konkrete Fall
Bei dem Urteil ging es um den Schadensersatzanspruch eines Hundehalters, der mit seinem angeleinten Hund an einem Grundstück vorbeilief, aus dem dann ein anderer Hund durch die Hecke brach und den angeleinten Hund angriff. Dessen Halter war durch die Leine eingeschränkt in seiner Abwehr und wurde von dem angreifenden Hund gebissen. In den Vorinstanzen wurden dem Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld zugesprochen und diesem kein mitwirkendes Verschulden durch die Tiergefahr seines Hundes vorgehalten.
Der BGH hat das Verfahren zur erneuten Prüfung an die Berufungsinstanz zurückübertragen. In diesem aktuellen Urteil hat der BGH zum Thema mitwirkende Tiergefahr sehr ausführlich unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Senats Stellung genommen.
Ist für die Entstehung eines Schadens auch die Tiergefahr des eigenen Tieres des Geschädigten mitursächlich, so muss sich der Geschädigte dies entsprechend § 254 Abs. 1, § 833 Satz 1 BGB mindernd auf seinen Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB anrechnen lassen. Voraussetzung ist, dass die typische Tiergefahr des Tieres des Geschädigten bei der Schadensentstehung adäquat mitursächlich geworden ist. Eine typische Tiergefahr äußert sich nach ständiger Rechtsprechung in einem der tierischen Natur entsprechenden unberechenbaren und selbständigen Verhalten. An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es insbesondere dann, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist oder wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt.
Demgegenüber können bereits von einem Tier ausgehende und auf ein anderes Tier einwirkende Reize (z.B. Geruch) eine für einen Schaden mitursächliche Tiergefahr darstellen. Für die entsprechend § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge der beiden Tierhalter kommt es sodann darauf an, mit welchem Gewicht konkret sich das in den Tieren jeweils verkörperte Gefahrenpotential in der Schädigung manifestiert hat.
Ein Gerangel zwischen Hunden ist eine Interaktion, die der tierischen Natur entsprechend aufeinander eingewirkt haben, bis es in dem zu beurteilenden Fall zu der Schädigung des Klägers kam. Damit hat sich in der Bissverletzung die von beiden Hunden ausgehende Tiergefahr adäquat mitursächlich verwirklicht. Für die Begründung der Mithaftung des Klägers als solcher ist nicht von Bedeutung, was Auslöser des Gerangels war und welcher der beiden Hunde in dem Geschehen eine über- oder untergeordnete Rolle einnahm. Diese Umstände können allerdings bei der Bildung der Haftungsquoten von Bedeutung sein, wie das Gericht ausführt.
Die Tatsache, dass es dem Hund der Beklagten gelungen ist, sich durch die Hecke zu zwängen, legt die Frage nahe, ob die Beklagte fahrlässig die Gesundheit des Klägers verletzt hat, indem sie den (Fußgänger-)Verkehr vor ihrem Grundstück nicht hinreichend vor den von ihrem Hund ausgehenden Gefahren geschützt hat. Im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte durch eine ausreichende Beaufsichtigung oder eine ausreichend sichere Einzäunung ihres Grundstücks dafür zu sorgen, dass ihr Hund nicht entweichen kann.
Anders als das Landgericht, das der Auffassung des Klägers folgend von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausgegangen ist, ist das Berufungsgericht im vorliegenden Fall dieser Frage nicht weiter nachgegangen. Das Gericht stellt dazu fest, dass diese Frage aber vorrangig zu klären ist, da sich gegebenenfalls eine anspruchsmindernde Anrechnung der Tiergefahr verbieten würde.
Der BGH hat den Fall an das Berufungsgericht zurückverwiesen mit der Auflage, die notwendigen Feststellungen dazu nachzuholen, ob die Beklagte verschuldensabhängig gemäß § 823 BGB haftet. Sollte dies nicht der Fall sein, wird es entsprechend § 254 Abs. 1 BGB eine Abwägung der Verursachungsbeiträge der von jedem der beiden Hunde ausgehenden Tiergefahr vorzunehmen und die hierfür gegebenenfalls noch erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
Fazit: Abwägung im Einzelfall
Es wird daher bei solchen Hundebalgereien die Rechtsprechung weiter zu verfolgen sein, und man wird auch in Zukunft keine einfachen und schematischen Lösungen erwarten dürfen, losgelöst vom jeweiligen Einzelfall.
Neben den rechtlichen Fragen führt eine Beißerei beim Hund oft zu Verletzungen, die tiefer gehen, als sie aussehen. Wie Sie diese Wunden versorgen und warum es wichtig ist, den Tierarzt aufzusuchen, lesen Sie in unserem Beitrag: Wunden versorgen: Was tun bei Bissverletzungen?