Übergewicht ist eine Krankheit, und zwar die häufigste ernährungsbedingte Erkrankung bei Hunden, sagt Dr. Claudia Rade, Fachtierärztin für Tierernährung und Diätetik. Sie erklärt, wie Übergewicht entsteht, welche Risikofaktoren es gibt und was man vorbeugend tun kann. Zum Beispiel zunächst herauszufinden, wie viel Energie in Form von Futter ein Hund tatsächlich benötigt.
Jedes Kilo, das ein Hund zusätzlich mit sich herumschleppen muss, schadet der Gesundheit, mindert die Lebensqualität und verkürzt die Lebenserwartung. Übergewichtige Hunde haben ein erhöhtes Risiko für Zuckerkrankheit, Gelenkbeschwerden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Harnsteinleiden, Hautprobleme und Komplikationen während und nach operativen Eingriffen.
Nie wieder dick?
Übergewichtige Tiere, die erfolgreich abgenommen haben, dürfen nie wieder gemäß dem Erhaltungsbedarf ihrer normalgewichtigen Artgenossen gefüttert werden, wenn man einen Jojo-Effekt vermeiden will. Die Empfehlung zur Energiezufuhr erfolgreich „abgespeckter“ Hunde beträgt 68 kcal/kg 0,75 und liegt damit deutlich unterhalb des Erhaltungsbedarfs für normalgewichtige Hunde mit ruhigem Lebensstil (95 kcal/kg 0,75).
Risikofaktoren für Übergewicht
Von einer echten genetischen Veranlagung für Adipositas kann derzeit nur bei zwei Rassen ausgegangen werden, nämlich beim Labrador Retriever und beim Cocker Spaniel. Diese Hunde weisen einen erhöhten Körperfettanteil auf. Da Fettgewebe weniger Energie verbraucht als Muskelmasse, liegt ihr Energiebedarf unter dem Durchschnitt ausgewachsener Hunde.
Mit der Kastration verdoppelt sich das Risiko für Übergewicht. Die Gründe dafür sind ein gesteigerter Appetit, eine verminderte Bewegungsaktivität und eine Veränderung der Körperzusammensetzung. Im Klartext heißt das, dass die Tagesfuttermenge nach der Kastration um ein Drittel gekürzt werden muss, damit ein Hund sein Gewicht hält.
Futter zuteilen, Leckerchen abziehen
Bei Hunden ist eine beschränkte Fütterung mit genau abgewogenen Tagesrationen zu empfehlen. Der freie Zugang zum Futter, auch Ad-Libitum-Fütterung genannt, kann zu einer übermäßigen Futteraufnahme führen. Der Wunsch, dem vierbeinigen Liebling ab und zu eine Futterbelohnung zu geben und Trockenfutter am liebsten zur „Selbstbedienung“ zur Verfügung zu stellen, ist zwar verständlich. Hundehalter sollten hierbei jedoch den Tagesenergiebedarf ihres Hundes im Auge behalten. Leider regulieren die wenigstens Hunde ihre Futteraufnahme gemäß ihres Energiebedarfs. Da ihr Magen außerordentlich dehnbar ist, können viele Hunde problemlos ein Mehrfaches ihres Tagesbedarfs verdrücken, ohne Anzeichen einer Sättigung zu zeigen.
Die Gabe von Leckerlis oder Snacks zu Belohnungs- und Erziehungszwecken ist für die meisten Hundehalter unverzichtbar. Der Kaloriengehalt der Snacks sollte ihnen jedoch bekannt sein und die Tagesfuttermenge entsprechend gekürzt werden. Um die Ausgewogenheit der täglichen Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen nicht zu gefährden, sollten die Snacks nicht mehr als fünf Prozent der Energieaufnahme ausmachen.
Mehr Kalorien als nötig
Hunde werden übergewichtig, wenn sie über einen längeren Zeitraum mehr Energie aufnehmen, als sie verbrauchen. Prinzipiell können unsere Vierbeiner ihre Nahrungsaufnahme so regulieren, dass sie ihr Körpergewicht konstant auf einem „Sollwert“ (Normalgewicht) halten. Diese Fähigkeit zur Selbstregulation der Futteraufnahme ist jedoch bei vielen Hunden nicht mehr ausgeprägt. Außerdem können zahlreiche „Störfaktoren“ zu einer übermäßigen Futteraufnahme beitragen, beispielsweise extrem schmackhaftes Futter, unbewusstes „Belohnen“ von gierigem Fressverhalten durch den Hundehalter oder auch Futterneid.
Berechnungen der Tagesfuttermenge stellen immer nur einen groben Richtwert dar. Der tatsächliche Energiebedarf eines Hundes kann vom errechneten Wert bis zu 50 Prozent (!) abweichen. Daher ist es wichtig, den Hund bei jeder Änderung der Fütterung zunächst wieder wöchentlich zu wiegen, bis feststeht, ob er mit der kalkulierten Tagesration sein Normalgewicht hält. Davon ist auszugehen, wenn das Körpergewicht über circa vier bis sechs Wiegetermine hinweg konstant bleibt. Gewichtsschwankungen von bis zu fünf Prozent sind dabei zu tolerieren.
Tipps zur Welpenaufzucht
Zu viel Energie während der Wachstumsphase kann bei Hunden späteres Übergewicht begünstigen. Da die Anzahl der Fettzellen von der Energieversorgung im Wachstum abhängt, neigen überernährte Welpen im Erwachsenenalter eher dazu, übergewichtig zu werden. Es ist sinnvoll, Hunde im Wachstum eher „nach Wirkung“ als nach starren Fütterungstabellen zu füttern. In der Praxis bedeutet das: restriktive Aufzucht durch rationierte Fütterung, Kontrolle des Körpergewichts mithilfe einer Wachstumskurve. Das Ziel sind optimale – nicht maximale! – Zuwachsraten.
Veränderte Bedürfnisse von Senioren
Im Alter lässt bei Hunden zum einen die körperliche Aktivität nach, zum anderen sinkt der Energieverbrauch insgesamt. Einer Gewichtszunahme von Seniorhunden kann meist durch die Kürzung der Energiezufuhr um etwa 20 Prozent vorgebeugt werden. Zu beachten ist, dass alte Tiere trotzdem ausreichend mit Mineralstoffen, Vitaminen und hochverdaulichem Protein versorgt sein müssen. Daher empfiehlt sich der Wechsel zu einem hochwertigen Seniorfutter, das dieses Nährstoffprofil mit einer verringerten Energiedichte kombiniert.